Immer wieder heißt es: Biosphärengebiete sind gut für den Tourismus. Das stimmt nicht automatisch, meint Tourismus-Expertin Belinda Unger und lehnt die Biosphäre im württembergischen Allgäu ab.
Sie ist Tourismus-Managerin im schwäbischen Allgäu und für 14 Städte und Gemeinden zuständig: Belinda Unger sorgt dafür, dass Urlauber kommen und möglichst lange bleiben. Der SPHÄRMAN wollte wissen, was sie von den Plänen für das Biosphärenreservat für Oberschwaben-Allgäu hält, und hat nachgefragt.
SPHÄRMAN: Frau Unger, Sie sind Chefin im Zweckverband Tourismus Württembergisches Allgäu und keine Freundin des geplanten Biosphärenreservats Oberschwaben-Allgäu. Ihre Kollegin Petra Misch, Chefin der Oberschwaben Tourismus GmbH, klingt ganz anders und scheint ein großer Fan des Biosphärenprojekts zu sein. Wie kommt es, dass zwei erfahrene Tourismusexpertinnen aus Südschwaben so gegensätzlicher Meinung sind?
BELINDA UNGER: Nein, ich bin kein prinzipieller Gegner eines Biosphärengebiets. Ich befürworte Biosphärengebiete sogar – wo sie hinpassen und für die Entwicklung einer Region gut sind. Petra Misch spricht für Oberschwaben UND das württembergische Allgäu. Ich spreche nur für das württembergische Allgäu. Und hier bei uns sehe ich nicht, dass uns ein Biosphärengebiet touristisch so sehr nach vorne bringen würde, da wir bereits jetzt schon sehr gut aufgestellt sind. Falls es kommt, werden wir trotzdem das Beste daraus machen.
Es lässt zu viele Verletzte zurück, wenn man etwas mit Gewalt durchsetzen will, damit wenige ihren Vorteil haben
Belinda Unger
SPHÄRMAN: Warum soll das Biosphärenprojekt im württembergischen Allgäu ganz andere Auswirkungen haben als in Oberschwaben?
BELINDA UNGER: Wir im württembergischen Allgäu haben eine sehr gute Tourismus-Infrastruktur – Radfahren, Wandern, historische Städte, Gesundheit. Wir können in vielen touristischen Themen sehr gut mitspielen. Und das funktioniert auch deshalb, weil wir eng mit der Land- und Forstwirtschaft zusammenarbeiten. Das ist nicht immer harmonisch. Wir haben manchmal sehr verschiedene Vorstellungen. Ich habe zum Beispiel fünf Jahre lang daran gearbeitet, eine Mountainbikestrecke durchzusetzen und musste am Ende kapitulieren, weil zu viele aus der Forstwirtschaft und dem Naturschutz dagegen waren. Und das war gut so, denn es lässt zu viele Verletzte zurück, wenn man etwas mit Gewalt durchsetzen will, damit wenige ihren Vorteil haben. Man kann nicht nach Brechstangen-Art fordern, dass man für den Tourismus ein Biosphärengebiet braucht. Jedenfalls nicht im württembergischen Allgäu. In Oberschwaben macht ein Biosphärengebiet gerade durch die Moore sicherlich mehr Sinn und würde diese Region bestimmt auch touristisch aufwerten.
SPHÄRMAN: Warum sind die Landwirte und Forstbesitzer gegen das Biosphärenreservat?
BELINDA UNGER: Das müssen Sie die schon selbst fragen. Ich erlebe erhebliche Bedenken, die ich nachvollziehen kann. Ich kann einem Landwirt doch nicht sagen, mach halt mehr Ferienwohnungen, wenn du die Felder oder den Wald nicht mehr so bewirtschaften darfst, wie du möchtest. Wir werden uns nicht gegen die Landwirtschaft oder die Forstwirtschaft und ihre Interessen stellen, denn der bäuerliche Raum und seine Landschaften sind genau das, was die Gäste erwarten und wollen. Deshalb sage ich, wir brauchen im Württembergischen Allgäu kein Biosphärengebiet, um uns touristisch weiterzuentwickeln.
SPHÄRMAN: Die Biosphärenfans argumentieren gerne mit den Segnungen für den Tourismus, wenn das Schutzgebiet kommt und nennen das Beispiel Schwäbische Alb…
BLEINDA UNGER: Auf der Schwäbischen Alb und übrigens auch an der Rhön gab es vor Einrichtung der Biosphärengebiete so gut wie keinen Tourismus. Das ist jetzt anders und somit waren diese Schutzgebiete eine gute Idee für den Tourismus.
SPHÄRMAN: In der → Mitgliederzeitschrift der IHK, die sich praktisch an alle Unternehmen in Baden-Württemberg wendet, singt Ihre Kollegin Petra Misch ein Loblied auf das geplante Biosphärenreservat und man hat den Eindruck, Frau Misch spricht für den Tourismus im ganzen Suchgebiet, also auch in Ihrem Zuständigkeitsbereich. Wie sicher sind Sie, dass die Tourismuswirtschaft im württembergischen Allgäu hinter Ihnen steht?
BELINDA UNGER: Es geht nicht darum, Konkurrenz um die Befürwortung oder Ablehnung eines Biosphärengebiets zu erzeugen und dafür Mehrheiten hinter sich zu positionieren. Letzten Endes haben wir, Frau Misch und ich, das gemeinsame Ziel den Tourismus im Raum Oberschwaben und im Württembergischen Allgäu zu entwickeln und voranzutreiben.
SPHÄRMAN: Ihre Kollegin Petra Misch und Sie wurden vom Prozessteam als Expertinnen in den Arbeitskreis Tourismus des Biosphärengebiets eingeladen. Nach zwei Sitzungen schieden Sie freiwillig aus und überließen einem anderen den Platz. Warum wollten Sie Ihre kritische Position dort nicht mehr vertreten?
BELINDA UNGER: Das ging in eine Richtung, mit der ich nicht einverstanden bin. Unter den rund 25 Mitgliedern befanden sich vielleicht vier Touristiker und sonst nur Leute, bei denen ich mich fragte, was die da tun. Deshalb verließ ich das Gremium. Eine Dame aus dem Heimatverein schlug vor, man solle doch bitte über die Grenzen des Landes hinweg mit anderen Organisationen zusammenarbeiten. Aber genau DAS machen wir bereits seit Jahrzehnten! Im Protokoll einer Sitzung stand nachher, Frau Unger sieht keinen Sinn in einem Biosphärengebiet. Punkt. Aber das stimmt nicht! Ich sehe nur keinen Sinn für den Tourismus im württembergischen Allgäu. Das ist ein großer Unterschied und wurde verkürzt dargestellt.
SPHÄRMAN: Könnte es sein, dass man gezielt Menschen in Arbeitskreise einlädt, die auf Linie der Regierung sind, weil sie entweder im Dienst der öffentlichen Hand stehen oder sich persönliche Vorteile erhoffen?
BELINDA UNGER: Dazu kann ich nichts sagen, weil ich gar nicht weiß, wie die Besetzung der Arbeitskreise zustande kam. Ich habe eine Info bekommen, dass es den Arbeitskreis Tourismus gibt und da habe ich mich angemeldet.




