Biosphärenreservat: „Ohne die Landwirte wird das nichts“

Bürgermeister Rainer Magenreuter

Er wollte vor über 10 Jahren ein Biosphärenreservat einrichten und ist gescheitert. Rainer Magenreuter ist Bürgermeister von Isny und denkt heute anders als damals.

Es ist nur ein paar Wochen her, dass Rainer Magenreuter (parteilos) das dritte Mal zum Bürgermister der Stadt Isny gewählt wurde – mit einem Ergebnis, das man sonst eher aus autoritären Systemen kennt: fast 92% Zustimmung. Allerdings war die Wahlbeteiligung gering: nur 24%.

Die 15.000-Einwohner-Stadt Isny ist eine satte Gemeinde mit tollen Mittelständlern und üppigen Gewerbesteuereinnahmen von Dethleffs (Wohnwagen), Blaser, Mauser und Sauer (Jagdwaffen), Gardinia (Einrichtung), Waldburg-Zeil-Kliniken (Gesundheit) etc. Direkt an die Stadt grenzen urtümliche Moor-, Vogel- und Naturschutzgebiete an. Das macht sie zum potenziellen Biosphären-Hotspot.

Alter Biosphären-Hase

In der Diskussion um die Biosphäre Oberschwaben-Allgäu ist Rainer Magenreuter ein interessanter Player, weil er alles schon einmal durchgemacht hat und heute anders denkt als damals. Der erfahrene Verwaltungsmann arbeitete in der Wasserwirtschaftsverwaltung, im Umweltministerium, im Landratsamt Alb-Donau-Kreis und sitzt seit 16 Jahren im Rathaus von Isny. Genauso lange beschäftigt er sich schon mit dem Thema Biosphärenreservat.

SPHÄRMAN: Herr Magenreuter, wie kamen Sie auf die Idee, ein Biosphärenreservat einzurichten?

RAINER MAGENREUTER: Die Idee übernahm ich von meinem Amtsvorgänger, der einen Naturpark im Sinn hatte. Allerdings grenzüberschreitend gemeinsam mit Bayern. Da wir ohnehin schon viele Einschränkungen durch diverse Schutzgebiete haben, wollten wir den Spieß umdrehen und durch die Vermarktung von Landschaft und naturnahen Produkten profitieren. Gemeinsam mit dem damaligen Landtagsabgeordneten Paul Locherer fuhr ich nach Stuttgart, wo man uns sagte, vergesst das, dafür haben wir keinen Etat. Doch ein Biosphärenreservat würde man unterstützen. Das Biosphärengebiet Schwäbische Alb war damals schon in der Diskussion. Daraufhin sahen wir uns dort um. Es gefiel uns und wir stellten die Idee in unserer Region vor. Der Widerstand aus Bauernschaft und Forstbesitzern war überraschend heftig. Wir ließen extra den Kreisbauernobmann von der Schwäbischen Alb für einen Vortrag kommen, aber es nützte nichts. Ich schlug dann vor, eine Denkpause von circa drei Jahren einzulegen.

SPHÄRMAN: Aus drei Jahren wurden 10 Jahre. Wie erfuhren Sie von den Plänen des neuen Biosphärenreservats?

Nicht ohne die Landwirte

RAINER MAGENREUTER: Andre Baumann [Anmerkung: Staatssekretär im Umweltministerium] sprach mich vor der letzten Landtagswahl an und fragte mich, ob wir das Projekt nicht wieder aufgreifen wollen. Diesmal war ich vorsichtiger und fühlte bei den Kollegen in den anderen Gemeinden vor. Auch unser Landrat [Anmerkung: Harald Sievers, Landkreis Ravensburg] setzte sich dafür ein. Als im Juli 2021 Ministerin Thekla Walker auf einer Erkundungsreise durch die geplante Biosphärenregion nach Isny kam, sagte ich ihr, wenn wir die Landwirte eingebunden bekommen, wird das eine gute Sache. Wenn nicht, sehe ich wenig Chancen. Ich habe den Eindruck, in diese Richtung bewegen wir uns gerade.

SPHÄHRMAN: Sie waren früher Biosphärenfan. Hat sich Ihre Einstellung im Vergleich zu 2007 verändert?

RAINER MAGENREUTER: Ich bin heute kritischer, aber nicht ablehnend. Das positive Beispiel der schwäbischen Alb sehe ich inzwischen in einem anderen Licht. Das ist dort ein absoluter Glückstreffer, aber mit uns nicht zu vergleichen. Dort war nicht viel los. Da war ja ein stillgelegter Truppenübungsplatz und die Alb hatte früher ein Identitätsproblem. Niemand gab gerne zu, dass er von dort kommt. Heute erzählen die Leute mit Stolz, wenn sie im Biosphärengebiet Schwäbische Alb leben. Dieses Selbstbewusstsein haben wir im Allgäu schon immer. Mit unserem Tourismus, der Landwirtschaft und ihren Produkten sind wir gut aufgestellt. Die Marke Allgäu ist in ganz Deutschland bekannt.

Noch mehr Bürokratie

SPHÄRMAN: Die Biosphären-Werber sprechen gerne von Fördergeldern, die mit dem Status des Biosphärenreservats einhergehen. Und stoßen bei Bürgermeistern auf offene Ohren. Sind Sie nicht so leicht verführbar?

RAINER MAGENREUTER: Ja, dieses Argument kenne ich. Man muss sich aber auch fragen, was uns das kostet und wie viel Fördergeld tatsächlich in Projekten ankommt. Wir sind ein überreguliertes Land. Wir kämpfen gegen eine undurchdringliche Bürokratie. Durch das Biosphärengebiet wird weitere Bürokratie hinzukommen. Ich kann mir vorstellen, dass es Alternativen geben könnte, um den sehr wichtigen Moorschutz und die Regionalvermarktung voranzutreiben.

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