Politiker und Fans des geplanten UNESCO-Biosphärenreservats Oberschwaben-Allgäu schwärmen über riesige Chancen, die Unternehmern im Schutzgebiet winken. Ist da wirklich was dran?
Manchmal wecken die Beschwörungen der Biosphärenwerber den Eindruck, es handle sich tatsächlich um ein Öko-Eldorado, wo das Gold förmlich aus dem Boden wächst. Da ein Biosphärengebiet Modellregion für Naturschutz, Kultur und nachhaltiges Wirtschaften sei, gäbe es auch entsprechende Förderung, heißt es immer wieder.
Fast glaubt man, jede Geschäftsidee, die in einem Biosphärenreservat ausgebrütet wird und Elemente von Nachhaltigkeit und Gemeinwohl enthält, ist zum Erfolg verurteilt. Vorausgesetzt, es gibt entsprechende Starthilfe aus dem Steuertopf.
Das ist totaler Unsinn, wie man in diesem → Interview mit einem Protagonisten der Biosphärenmarke „Albgemacht“ nachlesen kann.
2018 kamen die nachhaltig erzeugten Lebensmittel aus Betrieben im Biosphärenreservat Schwäbische Alb auf den Markt und wurden von der Presse rauf und runter abgefeiert. Die Idee für die Lebensmittelmarke kam aus dem Umweltministerium. Bis heute werden die „Albgemacht“-Produkte von Politikern und ihnen unterstellten Behördenleitern als Nachweis für erfolgreiche Biosphärenwirtschaft gelobt.
Doch genau das Gegenteil ist der Fall. Fazit nach fünf Jahren: Dass die Marke überhaupt noch existiert, ist ausschließlich öffentlichen Zuwendungen zu verdanken. Der vermeintliche Erfolg wird von der Politik herbeigeredet.
Brauer Gottfried Härle: das grüne Gewissen
Aber bleiben wir beim Thema: Wer sind die wahren Profiteure, wenn das Biosphärenreservat Oberschwaben an den Start geht?
Der prominente Brauer Gottfried Härle, grüner Gemeinderat in Leutkirch, seit Sommer 2021 Träger des Verdienstordens des Landes Baden-Württemberg für sein ökologisches Engagement und die Umstellung der gesamten Brauerei auf regenerative Energieträger, ist einer der wichtigsten Befürworter des Biosphärenreservats Oberschwaben und Sprecher der sogenannten → Biosphärenbotschafter.
Härle ist einer der bedeutendsten Netzwerker der deutschen Ökoszene und Lichtgestalt der grünen Wirtschaft. Vor 30 Jahren war er unter den Gründern des Bundesverbands Nachhaltige Wirtschaft. Er und seine Brauerei kassieren eine Auszeichnung nach der anderen. Beim jüngsten Bundesparteitag der Grünen in Karlsruhe → trat Härle als Sponsor auf. Neben Glyphosat-Hersteller Bayer und anderen.
Gottfried Härle sorgte dafür, dass Stadt Leutkirch in den Suchraum für das Biosphärenreservat wiederaufgenommen wurde, nachdem sie dort rausgeflogen war. Und das hinter dem Rücken seines Bürgermeisters, berichtete die → Schwäbische Zeitung. In Behördenkreisen heißt es dazu hinter vorgehaltener Hand, dass man durchaus Verständnis habe, wenn ein Unternehmer mit seiner Firma ins Biosphärengebiet drängt, um dort Fördermittel abzugreifen.
Paradies für Gutachter
Etwas weniger schillernd als Härle, aber nicht minder aktiv sind die anderen Biosphärenbotschafter. Auch sie dürften profitieren, wenn das Projekt an den Start gehen sollte. Das erkennt man am jeweiligen Berufsbild.
Da wäre zum Beispiel der umtriebige Naturschützer und Landschaftsarchitekt Erhard Bolender, der als Gutachter für Artenschutz gefragt ist. Für solche Experten sind Naturschutzgebiete wahre Goldgruben. Bolender ist eng mit den Naturschutzriesen BUND und NABU verbunden. In letzterem ist Sohn Jan Projektleiter.
Zweiter Sprecher der Biosphärenbotschafter neben Härle und Vorsitzender des BUND in Isny ist Agraringenieur Andreas Morlok, der im Büro Bolender als Kooperationspartner geführt wird.
Dann wäre da noch Esther Straub, Unternehmensnachfolgerin in der Brauerei Härle, deren Interesse an einem Biosphärenreservat Oberschwaben nicht weiter erklärt werden muss.
Und schließlich Vitus Wuhrer aus dem Clan der Unternehmerfamilie von Dewitz, denen der große Outdoor-Ausstatter Vaude am Bodensee gehört, wo man alles Mögliche für Bergsport, Radsport und Wandern einkaufen kann. Biosphärenbotschafter Vitus Wuhrer ist Mitglied der Geschäftsführung von Edelrid, Hersteller von Kletter- und Bergsportausrüstung in Isny.
Das grüne Netzwerk
Achtung, jetzt kommt ein langer Satz: Edelrid ist Teil der Vaude-Gruppe unter der Führung der grünen Vorzeigeunternehmerin Antje von Dewitz, die Schwester von Vitus Wuhrer, nebenbei auch Vorständin im Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft (den Gottfried Härle vor über 30 Jahren mitbegründet hat) und Kuratoriumsmitglied der Deutschen Bundesstiftung Umwelt, die dank 1,3 Milliarden Euro aus dem Verkaufserlös der Salzgitter AG zu den reichsten Stiftungen Europas zählt und jährlich den mit 500.000 Euro dotierten Deutschen Umweltpreis vergibt, der 2013 auf Anregung Gottfried Härles einer gewisse Ursula Sladek hälftig verliehen wurde, die aus der Anti-Atomkraftbewegung kommt und 1994 den nachhaltigen Energieversorger EWS Schönau gründete, von wo Härle das Gas für seine Brauerei bezieht.
Erwähnte ich bereits, dass Gottfried Härle gut vernetzt ist?
Jetzt schulde ich noch eine mutmaßliche Erklärung dafür, warum Edelrid-Chef Vitus Wuhrer Biosphärenbotschafter geworden ist und welchen Nutzen die Firma daraus ziehen könnte. Das war zunächst nicht klar, denn meine wiederholte Anfrage an Wuhrer bzw. die Pressestelle von Edelrid blieb unbeantwortet.
Auf der Website der Biosphärenbotschafter verströmt Wuhrer unter der Überschrift „Verantwortung und Schutz“ Salbungsvolles der allgemeinen Art. Ob ihn auch wirtschaftliche Motive in sein Biosphären-Engagement treiben, blieb unklar. Erst, als ich das brisante → Biosphären-Protokoll des Vereins Agrecol in den Händen hielt, dämmerte mir was.
Cash durch CO2-Zertifikate?
Das Protokoll berichtet nämlich über wunderbare Geschäftsmöglichkeiten, die Biosphären-Werber Franz Bühler anpreist, der vom Umweltministerium in Stuttgart ins sogenannte „Prozessteam“ berufen wurde, um die Einführung des Biosphärenreservats vorzubereiten.
Zitat aus dem Protokoll: „Durch die Moore haben Kompensationsleistungen ein großes ökonomisches Potential (z.B. CO2 Zertifikate). Herr Bühler ist mit entsprechenden Firmen im Austausch; auch die Firma Vaude hat Interesse an regionalen CO2-Zertifikaten. CO2-Handel könnte ein Bestandteil der Diskussion und der Finanzierung eines möglichen Biosphärengebietes sein.“
Wozu wollen Firmen CO2-Zertifikate kaufen? Im Allgemeinen, um die eigene CO2-Bilanz aufzuhübschen und klimabewegte Kunden anzulocken. Ob das bei Edelrid auch so ist, weiß ich nicht, denn dort wollte man mir bisher nicht antworten. Dann muss ich eben spekulieren.
Aus der Traum
Bühlers Idee klingt erstmal nicht schlecht, denn durch den üblen Ruf von CO2-Zertifikaten aus Afrika und anderen Kontinenten, die inzwischen als unseriöse Geldmacherei gelten, sind regionale Zertifikate in den Vordergrund gerückt. Sogenannte MoorFutures waren einmal der letzte Schrei, um die Ökobilanz einer Firma aufzupolieren.
Nur leider: Durch gewisse EU-Regelungen dürfen einheimische Kohlenstoffzertifikate jetzt nicht mehr in die Ökobilanz einer deutschen Firma eingespeist werden. Das behält sich der Staat vor, um irgendwie doch noch die Klimaziele zu erreichen, zu denen unsere Politiker ihn verpflichtet haben.
Dazu sagt Julia Kovar-Mühlhausen, Chefin der Klimaschutzstiftung Baden-Württemberg: „Ja, das ist schade. Aber regionale Zertifikate sind dennoch ein sinnvolles Instrument, um zu zeigen, dass man sich vor der eigenen Haustür engagiert und auch dort den Klimaschutz unterstützt.“
Nach big business klingt das jetzt überhaupt nicht mehr. Ob Herr Bühler das weiß?