Glauben die Biosphärenwerber ihren eigenen Erzählungen noch?

Biosphärenwerber Franz Bühler als Thomas, der Zweifler

Eine Veranstaltung der IHK Bodensee-Oberschwaben über das geplante UNESCO-Biosphärenreservat geriet zur Demonstration der Leidenschaftslosigkeit.

Sie sehen oben ein Bildnis des Apostels Thomas, der laut Bibel mehrmals an seinem Herrn Jesus Christus zweifelte. Deshalb trägt er den Beinamen „der Zweifler“ oder wird sogar „ungläubiger Thomas“ genannt. 

Diesem hl. Thomas habe ich das Gesicht eines real existierenden Herren namens Franz Bühler aufgesetzt. Künstliche Intelligenz macht’s möglich.

Warum ich so etwas mache?

Der gelernte Agrarbiologe Bühler ist der wichtigste Biosphärenwerber des grün geführten Umweltministeriums in Stuttgart.

Aber: Ein kürzlich erfolgter Auftritt Bühlers vor großem Publikum hinterließ bei manchem den Eindruck, dass der Mann gar nicht (mehr) an seine Mission glaubt. Dazu gleich mehr.

Die Einladung ging an 45 Mitglieder der Vollversammlung (Unternehmer), einige Funktionäre und ausgewählte Vortragende. Journalisten mussten draußen bleiben. Man wollte die offene Aussprache über das geplante Biosphärenreservat nicht durch externe Zuhörer ihrer Vertraulichkeit berauben, heißt es sinngemäß aus der Pressestelle der Industrie- und Handelskammer Bodensee-Oberschwaben. Was wurde dort besprochen?

Die offizielle Antwort ließ fast einen ganzen Monat lang auf sich warten. Wochenlang konnte der Sprecher der IHK keine Pressemitteilung über die Sitzung verschicken. Man befinde sich noch in der Abstimmung, beteuert der Pressemann. War wohl eine schwere Geburt.

Das mag auch an der Struktur als Körperschaft des öffentlichen Rechts liegen, denn alle 79 deutschen IHKs unter dem Dach der DIHK in Berlin sind Beute des Parteienstaats.

Man gibt sich wirtschaftsnah und staatsfern, ist aber so eng mit der Politik verfilzt, dass von einer unabhängigen Interessensvertretung keine Rede sein kann. 

Alle Gewerbetreibenden und Unternehmen mit Ausnahme reiner Handwerksunternehmen, Landwirtschaften und Freiberufler (die nicht im Handelsregister stehen) sind per Gesetz IHK-Mitglieder und müssen Zwangsbeiträge entrichten. Ob sie ihre IHK sinnvoll finden oder nicht.

Entsprechend fällt die Beteiligung unter den rund vierzigtausend Wahlberechtigten aus. Magere 12% waren es 2023, die sich für die Wahl des „Parlaments der Wirtschaft“ interessierten. 

Die Vollversammlung einer IHK tritt mehrmals im Jahr zusammen und berät über Arbeitsschwerpunkte, Finanzen und grundsätzliche Angelegenheiten – wie zum Beispiel ein Biosphärenreservat und seine Auswirkungen auf die regionale Wirtschaft. An der Vollversammlung können auch nicht gewählte und stimmrechtslose Ehrenmitglieder sowie der Hauptgeschäftsführer und seine Stellvertreter teilnehmen.

Auf der Tagesordnung der IHK-Vollversammlung am 13. März 2024 in Friedrichshafen, die von der Biosphärenthematik geprägt war, standen Vorträge von Befürwortern und Gegnern des geplanten Großschutzgebiets.

Aber Halt! Das stimmt vielleicht nicht ganz. Denn die Vortragenden aus dem Lager der Biosphärenfreunde ließen ein ratloses Publikum zurück und beim anschließenden Dinner fragte man sich: Sind diese Leute wirklich überzeugt von dem, was sie sagen? So wurde es dem SPHÄRMAN zugetragen.

Seit 2022 tingelt Franz Bühler durch das Land und versucht seinen Zuhörern den Biosphärentraum schmackhaft zu machen

Denn die Auftritte von Franz Bühler (Prozessteam) und Frank Kesenheimer (IHK-Bereichsleitung Unternehmensförderung und Regionalentwicklung) wirkten erstaunlich blutleer und wurden über weite Strecken völlig leidenschaftslos aus vorbereiteten Unterlagen vorgelesen, sodass der Eindruck aufkam, da stehen welche, die gar nicht glauben, was sie sagen.

Bei Kesenheimer mag das daran gelegen haben, dass der IHK-Funktionär für Petra Misch, Chefin der Oberschwaben Tourismus GmbH, einsprang, die offenbar verhindert war. Die Geschäftsführerin der quasi-staatlichen Organisation gilt als glühender Biosphärenfan.

Bei Bühler überraschte dessen Schlappheit jedoch sehr, weil der Biosphärenwerber im Auftrag des Umweltministeriums bereits über viel Erfahrung als Biosphärenvorbeter verfügt.

Seit 2022 tingelt Bühler durch die Lande und versucht seinen Zuhörern den Biosphärentraum schmackhaft zu machen. Dass der gelernte Agrarbiologe und das restliche Prozessteam neutral informieren würden, wie immer wieder beteuert wird, nimmt keiner mehr ernst. Zu durchsichtig ist die Absicht hinter der vermeintlich neutralen Informationspolitik, die Stuttgart diktiert. 

Und wie lief Bühlers Vortrag konkret ab?

In Friedrichshafen leierte Bühler angebliche Vorteile eines Biosphärenreservats für die regionale Wirtschaft herunter, darunter die vom Prozessteam immer wieder bemühte Paludikultur. Damit ist der Anbau von Moorschilf für die Erzeugung naturnaher Baustoffe gemeint.

Als die Redezeit deutlich überschritten war, breitete sich im Publikum Langeweile aus, die Teilnehmer begannen sich zu unterhalten und fummelten auf ihren Mobiltelefonen herum.

Später in der Fragerunde bemerkte ein IHK-Präsidiumsmitglied gegenüber Bühler: „Nach diesem Vortrag liegt ihr Interesse wohl auf der Kern- und Pflegezone. Dann konzentrieren sie sich doch darauf und lassen die Entwicklungszone weg.“

Bühler darauf: „Kern- und Pflegezone würden uns reichen, aber zu einem Biosphärengebiet gehört auch die Entwicklungszone. Damit müssen wir uns arrangieren.“

Auch wenn man kein Freund des geplanten Riesenschutzgebietes ist – von einem, der auszog, um die frohe Biosphärenkunde unters Volk zu bringen, haben sich viele Sitzungsteilnehmer sicher etwas anderes erwartet.

Keiner, der seinen Erwerb aus der Bodennutzung zieht, glaubt, dass die Biosphäre eine Chance ist

Als Bühler in seinem Vortrag auch noch zu erwähnen vergaß, dass das Biosphärenreservat ein Großschutzgebiet nach Naturschutzrecht (und damit einhergehenden unkalkulierbaren Risiken bezüglich künftiger Gesetze und Verordnungen) sei, kam bei jenen, die sich näher mit der Materie auskennen, fast schon ein bisschen Empörung auf.

Denn keiner, der seinen Erwerb aus der Bodennutzung zieht, glaubt der Erzählung, dass die Biosphäre eine Chance für die Landwirtschaft der Zukunft ist. Der Schreck über den (von der ehemals alleinregierenden CDU begangenen) Betrug im Zusammenhang mit den FFH-Gebieten steckt vielen Bauern noch in den Knochen.

Damals wurden weite Flächen – entgegen anderslautender Versprechen – über die Köpfe der Eigentümer hinweg als Flora-Fauna-Habitat-Gebiete ausgewiesen und die Bauern mit erheblichen Einschränkungen belegt. 

Als Bühler später nach Fördermitteln für die Wirtschaft in der Biosphäre befragt wurde, wusste dieser keine konkrete Antwort und erwiderte, das Biosphärengebiet sei kein Füllhorn und eher als Projekt der „Hilfe für Selbsthilfe“ zu betrachten. Es ginge, so Bühler, um Veränderungswille, Engagement der Bevölkerung, regionale Verbundenheit etc.

Das klingt nach den üblichen Worthülsenfrüchten der Politik mit dem Subtext: Ihr liefert, wir kassieren.

Ein Biosphärengebiet Oberschwaben-Allgäu werte die Region auf und begünstige ihre Vermarktung…

Als Frank Kesenheimer von der IHK Bodensee-Oberschwaben aus dem Blickwinkel der Tourismuswirtschaft über die Chancen im Biosphärenreservat sprach, kamen altbekannte PR-Spezialitäten aus Stuttgart auf den Teller. 

Ein Biosphärengebiet Oberschwaben-Allgäu werte die Region auf und begünstige ihre Vermarktung als touristisches Ziel, hieß es. Und: Das Image und die Nachfrage nach gutem Essen und hochwertigen Übernachtungsmöglichkeiten steige.

Kesenheimer nutzte als geistige Stütze für seinen Vortrag eine Stuttgart-Sprachregelung, welche die Ergebnisse aus dem Biosphärenarbeitskreis Freizeit und Tourismus kreativ verdichtet. 

Wer mein Interview mit der Tourismusmanagerin Belinda Unger kennt, die diesen Arbeitskreis wegen erschreckender Kompetenzdefizite verließ, weiß, wie weit diese Darstellung von der Realität entfernt liegt.

Zum Gespräch mit Belinda Unger geht’s → hier.

Nun spricht die IHK eine ganz andere Sprache. Ihr Fazit: „Die Mitglieder der IHK-Vollversammlung äußerten Verunsicherung über das mögliche Biosphärengebiet, insbesondere, da weite Teile des Landkreises Ravensburg als Entwicklungszone unter das Naturschutzgesetz fallen könnten. Die Unternehmen befürchten hier zukünftige Nutzungsbeschränkungen, etwa bei der Ausweisung und Entwicklung neuer Gewerbeflächen. Auch zeigten mehrere der Anwesenden kein Verständnis dafür, dass die Region nicht viel intensiver und transparenter in den bisherigen Prozess einbezogen worden sei, das Biosphärengebiet einzurichten. Man sei als Region zwar touristisch durchaus attraktiv, aber dennoch durch einen starken industriellen Mittelstand geprägt, der aufgrund der Siedlungsstruktur der Region nicht in einzelnen Städten konzentriert sei.“

Zur ganzen Pressemitteilung geht’s → hier.

Diese stark verspätete Aussendung der IHK über ihre Biosphärenveranstaltung muss die Damen und Herren dieser Organisation viel Mut gekostet haben. Sie kommt einem kleinen Aufstand gleich, wenn man die aktuelle Position der IHK mit ihrem Wischiwaschi aus dem letzen Jahr vergleicht.

Haben ein paar einflussreiche IHK-Mitglieder bei Präsident Martin Buck Druck aufgebaut?

Übrigens: Versender der Pressemitteilung war eine externe PR-Agentur. Man fragt sich warum, denn die IHK Oberschwaben-Allgäu leistet sich einen netten und sehr professionellen Pressesprecher.

Warum fiel Tourismus-Profi und Biosphärenfan Petra Misch in Friedrichshafen aus?

Ach ja, fast hätte ich die Auftritte der Biosphärengegner vergessen. 

Es sprachen die Herren Michael Fick von der „Allianz der Landeigentümer und Bewirtschafter“ und Martin Baumann von der Holzwerk Baumann GmbH in Wangen.

Wer ist Fick und diese „Allianz“ der Widerständler? Das erkläre ich in diesem Unterbrecher, bevor es mit meinem Bericht weitergeht:

Leser des SPHÄRMAN kennen die Haltung der „Allianz“ aus zahlreich dokumentierten Wortmeldungen und ihrer Pressearbeit.

Zusammengefasst fordert die „Allianz“ von der Politik: 

Stoppen Sie den Prüfprozess mindestens so lange, bis ein positives Votum der Bürgermeister, die gesicherte Kartengrundlage und die Exit-Klausel für die Gemeinden vorliegt. Ein Einfach-weiter-so ist unverantwortlich gegenüber den Menschen in dieser Region. Es ist Verschwendung von Steuergeldern, die in vielen anderen Bereichen dringend gebraucht werden. Es ist Blockieren von Personal, das an vielen Stellen wertvoller eingesetzt werden kann. Es erzeugt weiter einen unproduktiven Unfrieden zwischen Landeigentürmen und Naturschutz bzw. Kommunen. Es gibt zurzeit so viele Herausforderungen, dass wir unsere Kräfte wirksamer und zielgerichteter einsetzen müssen.

So ungefähr lautete dann auch der Tenor der beiden Biosphärenrebellen in Friedrichshafen.

Wie man aus Kreisen der IHK-Vollversammlung hört und aus der zeitaufwendig erstellten Pressemitteilung herausliest, fielen die „Allianz“-Worte auf fruchtbaren Boden.

Ein Detail hätte mich noch interessiert: Warum Tourismus-Profi und Biosphären-Befürworterin Petra Misch als Vortragende in Friedrichshafen ausfiel. Das ist leider nicht in Erfahrung zu bringen.

Möglicherweise gab es private Gründe, die uns nichts angehen.

Oder die Antwort ist pragmatisch und trifft auch auf Prozessteam-Mann Franz Bühler zu, der auffällig-unengagiert wirkte: Vielleicht haben beide inzwischen die Schnauze voll vom Kopf-Hinhalten für Politiker, die am Willen der Bevölkerung vorbeiregieren und sich nur sehr spärlich äußern.

ODER: Es ist egal, wie überzeugend die Argumente beider Seiten wirken. Das Biosphärenreservat ist von Stuttgart beschlossen und soll umgesetzt werden.

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