Grüner Politiker über Biosphäre: „Das kommt!“ Wortbruch oder nur verplappert?

Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz und Ministerin Thekla Walker

Immer wieder wird behauptet, das Projekt Biosphärenreservat Oberschwaben könne nur mit Zustimmung der Bevölkerung umgesetzt werden. Ist das wirklich so geplant oder ein politisches Beruhigungsmittel?

Im September 2023 sagte ein gewisser Andreas Schwarz, Fraktionschef der Grünen im Landtag von Baden-Württemberg über das Biosphärenreservat Oberschwaben einem Journalisten der → Schwäbischen Zeitung wörtlich: „Die Koalition steht dahinter. Das kommt.“ Und fügte hinzu: „Mein Anspruch ist es schon, dass wir in dieser Legislaturperiode die Diskussionen abschließen und das Biosphärengebiet verbindlich festsetzen.“

Diese Wortmeldung sorgte für einigen Wirbel, denn stets hatte man im Lager der Biosphärenskeptiker darauf vertraut, dass die Umsetzung des Biosphärenreservats einigermaßen demokratisch verlaufen soll. Gesetzlich vorgesehen ist das allerdings nicht. Das Umweltministerium in Stuttgart darf nach Belieben walten, wenn es um die Umsetzung von Schutzgebiete geht. Nicht einmal der Landtag muss gefragt werden.

Trotzdem heißt es immer wieder beschwichtigend, dass man die Biosphäre Oberschwaben nicht gegen den Willen der Bevölkerung einführen will. Aber was heißt „Bevölkerung“ genau – sind damit die Wahlberechtigten gemeint? Antwort: Die Gemeinderäte sollen abstimmen, ob man Teil des Schutzgebietes sein will. Bürgerbeteiligung geht anders.

Nur eine Farce?

In einer Pressemitteilung wandte sich daraufhin die sogenannte → „Allianz“ an die Öffentlichkeit: „Die ALLIANZ der Landeigentümer & Bewirtschafter sieht sich in ihrer Befürchtung bestätigt, dass der laufende, aufwendige und teure Beteiligungsprozess nur eine Farce ist und die Region auch gegen ihren Willen zu einem Biosphärengebiet wird.“

Im Allianz-Verein befinden sich unter anderen der Bauernverband Allgäu-Oberschwaben, diverse Forst- und Jagdverbände, Vertreter einflussreicher Familien wie jene der Häuser Waldburg und andere Unternehmen. Sogar Biobauern sind dabei, weil sie das Biosphärenreservat als Risiko betrachten. Das klingt interessant und wird Gegenstand eines Artikels sein, der noch geschrieben werden muss.

Wenige Tage nach der Wortmeldung des schwäbischen Obergrünen kam der Rückzug: alles nicht so gemeint.

Wieder in der → Schwäbischen Zeitung sagt Schwarz: „Es tut mir leid, wenn der Eindruck entstanden sein sollte, dass beim Diskussionsprozess zum Biosphärengebiet Oberschwaben nicht ergebnisoffen diskutiert wird und in Stuttgart längst Entscheidungen gefallen wären.“

Kein Politik-Tölpel

Andreas Schwarz ist nicht irgendein Politik-Tölpel, der sich im Interview mit einer einflussreichen Zeitung verplappert. Im Stuttgarter Landtag wird er als Winfried Kretschmanns Kronprinz gehandelt, der die Grünen in der Regierung halten soll, was ihm zur Herkulesaufgabe geraten dürfte. Eine politische Trophäe wie die Einführung eines riesigen Schutzgebietes käme als Leckerli für die grüne Klientel im Wahlkampf gerade recht.

Dass der erfahrene Jurist und Machtpolitiker so unbedacht agiert, scheint wenig glaubwürdig. Politische Beobachter sagen über Schwarz, dass er kaum aus der Reserve zu locken sei.

Der angebliche Lapsus im Zusammenhang mit der Biosphäre Oberschwaben muss eine gezielte Provokation gewesen sein, um vorzutasten, wie die Gegner des Biosphärenprojekts reagieren, wenn sie merken, dass über ihre Köpfe hinweg längst ein Beschluss gefallen ist.

Provokation schafft Fakten

In seinem Handbuch für politischen Kommunikation „Theory of Provocation“ führt der polnische Politologe Miroslaw Karwat von der Uni Warschau im Kapitel „Provokation als Mittel der Politik“ unter anderem aus, warum es manchmal sinnvoll ist, mit einer politischen Provokationen Machtverhältnisse zu verschieben bzw. zu stabilisieren. Da beschreibt er, dass eine gezielte politische Provokation folgendes bewirken kann:

Die Schaffung vollendeter Tatsachen durch eine Überraschungsaktion, die darin besteht, die allgemein geltenden und respektierten Normen oder die eigenen (erzwungenen oder freiwilligen) Verpflichtungen zu brechen; dem Gegner zuvorzukommen, die Auswirkungen rechtswidriger Handlungen zu festigen und die Rückkehr zum vorherigen Zustand zu verhindern.

Miroslaw Karwat, Theory of Provocation, 2022

Das kennt man aus dem politischen Alltag auf der ganzen Welt. Irgendeine Behauptung oder Provokation wird auf den Weg geschickt und der Gegner dreht am Rad.

Schönes Beispiel aus Fernost: Um sich außenpolitisch einen Überblick zu verschaffen, lässt Nordkoreas Diktator Kim Jong-Un regelmäßig Marschflugkörper abfeuern, die theoretisch mit Atomsprengköpfen munitioniert sein könnten. Je nach Reaktion bei den Gegnern in Seoul, Washington oder sonst wo, wertet die Führung Nordkoreas die verbale Reaktion aus und interpretiert das globale Stimmungsbild.

Ich stelle mir vor wie Andreas Schwarz mit seiner Parteikollegin und Umweltministerin Thekla Walker in der Kantine des Landtags sitzen, auf ihre Handys starren und sich fragen: Wer schluckt den Köder und wer spuckt ihn wieder aus?

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