Er scheiterte als Politiker und ist Regierungspräsident mit weitreichenden Befugnissen. Wie tickt Baden-Württembergs wichtigster Biosphären-Beamter und was hat er vor?
Auf dem Arbeitgeber-Bewertungsportal Kununu finden sich fast ausschließlich nette Kommentare über das Regierungspräsidium Tübingen. Beim genauen Lesen stößt man jedoch auf zarte Kritik. Da steht zum Beispiel: „Gleichberechtigung wird hier gelebt, wenngleich die oberste Führungsebene dann doch (noch) sehr maskulin geprägt ist.“
Solche Einzelmeinungen sind nicht repräsentativ und lassen keine allgemeinen Rückschlüsse zu. Aber klar: An der Spitze dieser Behörde steht ein Mann: Klaus Tappeser. Könnte er damit gemeint sein? Zum Eintrag geht’s → hier.
Regierungspräsidien gibt es in vier deutschen Bundesländern, wenngleich teilweise unter anderer Bezeichnung. 7 in Bayern, fünf in Nordrhein-Westfalen, vier in Baden-Württemberg und drei in Hessen. Die Regierungspräsidien von Baden-Württemberg sitzen in Stuttgart, Karlsruhe, Tübingen und Freiburg.
Das Regierungspräsidium ist eine sogenannte Mittelbehörde, die es nur in Flächenländern gibt. Sie liegt wie ein Stück Leberkäs zwischen Landesregierung (oben) und Land- bzw. Stadtkreisen (unten). Behördenchefs sind politische Beamte, die nicht gewählt, sondern von der Regierung ernannt werden. Auf Sympathien in der Bevölkerung müssen diese Amtsträger (männlich oder weiblich) keinen Wert legen.
Demokratie? Nein danke!
Das macht die Regierungspräsidien zu nützlichen Werkzeugen in den Händen der Zentralmacht. Denn der unbestrittene Charme dieser Institution liegt darin, dass ein Regierungspräsident (männlich oder weiblich) keine Rücksicht auf lästige Landräte und Bürgermeister (männlich oder weiblich) nehmen muss. Er kann durchregieren, so lange die Hauptstadt ihn gewähren lässt. Eine undemokratische Kuriosität im Geflecht der Institutionen.
Der deutsche Staatsrechtler Matthias Roßbach schreibt: Die Regierungspräsidien bzw. Bezirksregierungen sind monokratisch organisiert und unterliegen selbst der Fach- und Dienstaufsicht der obersten Landesbehörden.
Der weit über die Grenzen Schwabens hinaus angesehene Tübinger Professor und Politologe Hans-Georg Wehling (verstarb 2021) brachte die Funktion der Behörde so auf den Punkt: Recht und Gesetz zum Durchbruch zu verhelfen, ohne jeden Zwang zur Rücksichtnahme auf lokale Interessen.
Kein Wunder, dass der durchschnittliche Landrat bzw. Bürgermeister auf seinen zuständigen Regierungspräsidenten nicht immer gut zu sprechen ist.
Seinem Wohlwollen ausgeliefert
Denn einerseits: Draußen vor Ort müssen die Vertreter der sogenannten unteren Behörden oft den Kopf hinhalten für Zeug, dass im Regierungspräsidium beschlossen wird, auch wenn es allen Regeln der Vernunft widerspricht. In Zeiten ideologisch geprägter Politik ein wertvoller Nutzen für die Mächtigen, um etwas gegen den Willen der Bevölkerung durchzudrücken.
Und andererseits: Städte und Gemeinden sind auf Gedeih und Verderb dem Wohlwollen ihres Regierungspräsidiums ausgeliefert. Alleine Klaus Tappeser in Tübingen gebietet über mehr als eine Milliarde (!) Fördermittel, die er über die von ihm abhängigen Kommunen ausschütten darf. Da ballt man als Bürgermeister lieber die Faust in der Tasche und verzichtet auf Gegenrede, wenn mal wieder ein amtlicher Unsinn auf den Weg gebracht wurde.
Erfunden wurden die Regierungspräsidien irgendwann zur Zeit der napoleonischen Herrschaft, als es noch keine Telefone, E-Mails und Datenübertragung gab.
Heute sagen Wohlmeinende, das Regierungspräsidium entlaste die Ministerien, damit man dort den Kopf frei für politisches Planen habe und nicht im Kleinklein des behördlichen Alltags versinke. Weniger Wohlmeinende halten die Behörde für eine Metastase, die Saft aus dem Land saugt und den Bürokratiekrebs nährt.
Information auf Dschungelcamp-Niveau
Irgendwann in den 1970er-Jahren gab es eine Verwaltungsreform und Versuche, die Regierungspräsidien aufzulösen. Daraus wurde natürlich nichts. Wer jemals Max Weber las, weiß, dass Bürokratie sich selbst nie beseitigt.
Immer mehr → Bürgermeister schmeißen hin, weil die Belastung durch bürokratische Aufgaben und den übergriffigen Staat nicht mehr zu ertragen ist. Auch in Baden-Württemberg. Allerdings: Von einem Regierungspräsidenten hat man das noch nicht gehört.
Auf der Website des Regierungspräsidiums Tübingen hält man sich darüber bedeckt, was das Amt im Detail tut, und informiert auf Dschungelcamp-Niveau. Einen umfassenderen Einblick in die Aufgaben erhält man woanders – ausgerechnet auf der Website der Stadt Ulm.
Hier kann man unter dem Reiter → Dienstleistungen nachlesen, wofür sich das RP Tübingen zuständig fühlt. Die Liste ist sehr lang (von Adoption bis Zwangsverheiratung) und man fragt sich als Verwaltungslaie: Wozu gibt es eigentlich noch Rathäuser, Kreis- und Gemeindeämter mit ihren Angestellten, die der Steuerzahler finanziert?
Auf jeden Fall ist das Regierungspräsidium Tübingen bzw. sein Chef Klaus Tappeser auch Herr über das Biosphärenreservat Schwäbische Alb und Verantwortlicher für das geplante Schutzgebiet in Oberschwaben-Allgäu. Tappeser nutzt das schöne Thema Biosphäre gern, um mit Wohlfühl-Botschaften in der Presse Aufmerksamkeit zu ernten. Ist man allerdings kein braver Journalist – so wie der SPHÄRMAN, dann wird man mit einem Amtsboykott belegt.
Was will Klaus Tappeser?
Weil die Pressestelle von Tappeser auf meine Bitte um ein Gespräch mit dem Behördenchef nicht reagiert und auch weitere Fragen ignoriert, die sich um „seine“ Biosphärenreservate drehen, musste ich mir anders Eindruck verschaffen. Durch diskrete Hintergrundgespräche, Google und die Regionalpresse. Auch so kann man sich ein Bild zusammensetzen, wenn man wissen will, wie der Machtmensch Tappeser tickt.
Als der Tübinger Regierungspräsident Klaus Tappeser (CDU) irgendwann im Frühling 2019 nach einem Termin in seinen Dienstwagen stieg, wunderten sich einige über das dicke Auto: Audi A8. Hatte sein Vorgänger Jörg Schmidt (SPD), der nur ein halbes Jahr lang im Amt war und im Rahmen eines Postenschachers der grün-schwarzen Koalition entfernt wurde, nicht den kleineren A6 gefahren? So ungefähr schrieb das Schwäbische Tagblatt → in einem Artikel über das Dienstwagen-Privileg von Politikern.
Ich halte diese kleine Szene für eine gute Anmoderation über Tappeser, weil hier mit wenigen Strichen ein Charakterbild skizziert wird.
Politischer Zombie mit Ambitionen?
Dieser Mann und sein Amt sind für rund 1.9 Mio. Menschen in 9 Landkreisen tätig. Das ist viel Verantwortung für einen, der seit Jahren auf dem politischen Friedhof ruht. Aber vielleicht ist das nur vorübergehend und Klaus Tappeser ein untoter Politiker, der irgendwann sein Grab verlässt. So wie ein Zombie.
Das Schwäbische Tagblatt schreibt in einer Zusammenfassung: Klaus Tappeser war von 1995 bis 2008 Oberbürgermeister in Rottenburg. Seit 1997 ist er Tübinger CDU-Kreisvorsitzender und seit 1999 Kreistagsmitglied. 2006 bis 2008 war er Landtagsabgeordneter und wurde Anfang 2008 Ministerialdirektor im Stuttgarter Wissenschaftsministerium. Als Grün-Rot 2011 die Landesregierung übernahm, wurde CDU-Mann Tappeser in den einstweiligen Ruhestand versetzt. Seit 2012 betätigte er sich als freischaffender Politik- und Wirtschaftsberater, kandidierte erfolglos als Oberbürgermeister in Lindau am Bodensee und scheiterte 2013 an der Nominierung für die CDU-Liste zur Europawahl. Bei der Landtagswahl 2016 kandidierte er im Wahlkreis Tübingen erneut für die CDU, unterlag jedoch dem Grünen Daniel Lede Abal.
In einem lebendigen Bericht des → Schwarzwälder Boten über den Wahlabend des 13. März 2016 und das politische Aus für Tappeser steht: Nein, so hatte sich Rottenburgs Ex-OB Klaus Tappeser diese Wahl sicherlich nicht vorgestellt. Dass es schwer werden würde, im Kreis Tübingen das Direktmandat zu holen, war klar. Zu stark sind die Grünen, insbesondere in ihrer Mega-Hochburg Tübingen. Doch auch die Rottenburger haben ihrem früheren Stadtoberhaupt nicht entscheidend den Rücken gestärkt. Der Vorsprung vor den Grünen fiel knapp aus. Vielmehr haben sich viele enttäuschte CDU-Wähler in der Bischofsstadt der AfD zugewandt. Was festzuhalten bleibt: Tappeser ist das Wahlglück abhanden gekommen. Neben der jüngsten Schlappe scheiterte er 2012 bei der OB-Wahl in Lindau und auch für den Einzug ins EU-Parlament reichte es nicht. Er wäre im Nachhinein besser OB in Rottenburg geblieben, anstatt 2008 in die damalige CDU-Landesregierung nach Stuttgart zu wechseln.
Mehr Pressesprecher als Bilfinger
Aus der Traum von Macht und Einfluss? Mitnichten: Im Zuge des Regierungswechsels 2016 wurde Klaus Tappeser von Winfried Kretschmann zum Präsidenten des Regierungsbezirks Tübingen ernannt. Es gab Proteste. In der Behörde sammelte man Unterschriften, damit der bisherige sehr beliebte Amtsinhaber Jörg Schmidt (SPD) bleibt. Es brachte nichts. Sorry, falsches Parteibuch. Tappeser war gesetzt.
Seitdem regiert Tappeser als ungewählter Souverän im Land und baut allem Anschein nach seinen Apparat aus.
Auf dem Karrierenetzwerk LinkedIn war im Profil des Regierungspräsidiums Tübingen Mitte Dezember 2023 eine Meldung eingeblendet: 5% Personalzuwachs in den letzten 6 Monaten. Das wäre bei der offiziell genannten Mitarbeiterzahl von ca. 1.700 immerhin 85 Neue.
Ob es sich dabei um eine verlässliche Angabe handelt und – falls ja – sich darunter auch Leute für das Biosphärenprojekt Oberschwaben-Allgäu befinden, fragte der SPHÄRMAN Mitte Dezember in der Pressestelle von Tappeser nach. Antwort: keine. Seit über zwei Monaten null Reaktion.
Dabei ist → Tappesers Kommunikationsabteilung prachtvoll besetzt. Ganze 6 Spezialisten leistet sich Tappeser, um den Ruhm der Behörde und ihres Chefs zu mehren und übertrifft dabei so manchen Weltmarktführer in Baden-Württemberg, der global kommunizieren lässt.
Bei der Dürr AG in Stuttgart (18.500 Mitarbeiter und über vier Mrd. Euro Umsatz) sind es nur vier. Und bei Bilfinger in Mannheim (30.000 Mitarbeiter, ca. 3,8 Mrd. Umsatz) lediglich drei. Auch das Erzbistum Freiburg (29.000 Mitarbeiter), das gute Kommunikation durchaus brauchen kann, beschäftigt in der Pressestelle drei Kollegen.
Was machen die 6 Pressesprecher von Tappeser den ganzen Tag, wenn sie keine Zeit haben, um die Mails des SPHÄRMAN zu beantworten?
Selbstgespräche der Behörde
Das ist nicht so leicht rauszubekommen. Schaut man sich Pressemeldungen und Socialmediakanäle des Regierungspräsidiums an, begegnet man den immergleichen Meldungen: Was wir so machen, Tappeser eröffnet Radweg, wir suchen Leute, Tappeser dankt Naturschützern, Gefahren des Alltags, Tappeser zeichnet vorbildliche Dorfgasthäuser aus, Biosphäre, Tappeser eröffnet noch einen Radweg usw.
Tappeser, Tappeser, Tappeser. Es tappesert gewaltig. So viel Regierungspräsident (männlich oder weiblich) wird in keinem anderen Regierungsbezirk Baden-Württembergs abgefeiert. Kein Wunder: So viel Personal sitzt auch in keiner Presseabteilung dieser vier Mittelbehörden. Das riesige Amt in Stuttgart (2.300 Mitarbeiter) kommt laut Website mit 5 Pressesprechern aus, in Karlsruhe (rund 1.800 Mitarbeiter) und Freiburg (über 1.700) genügen offenbar zwei.
Wen interessiert die Tappeser-Soap? Das kann man nur auf Instagram gut herausfinden, denn dort werden die Follower aufgelistet. Im Falle des RP Tübingen sind das knapp über 3.900. Das ist nicht wirklich gut.
Und wer ist das, der dort den Inhalten aus dem Tappeser-Reich folgt? Schulen, irre viele Feuerwehren und Rettungsdienste, kommunale Einrichtungen und Projekte. In der Mehrzahl Behörden, die am Tropf von Tappesers Apparat hängen. Ganz wenige Bürger. Fazit: Tappesers Behörde spricht mit sich selbst.
Hier ein typischer Tappeser-Post auf Instagram:
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Man fragt sich, wozu Tappesers Kostenstelle für externe Kommunikation so stark aufgerüstet wurde. Was im Regierungspräsidium beschlossen wird, findet abseits aller demokratischen Prozesse statt. Politisch spielt die Musik woanders. Kein Wähler muss vom Walten und Wirken Tappesers und seiner Behörde überzeugt werden. Der ganze teure PR-Zinnober auf Kosten der Steuerzahler ist überflüssig. Es sei denn, es gibt ein verborgenes Motiv.
Bereitet sich hier einer mit dem Budget seiner Behörde auf ein Comeback als Volksvertreter vor?
Das wollte ich natürlich von Klaus Tappeser wissen. Stichwort: Sorgfaltspflicht im Journalismus. Was mir daraufhin geantwortet wurde, kann man sich schon denken: nichts.
Freundlich, überheblich, patzig
Menschen, die ihm begegneten, beschreiben Tappeser so: grundsätzlich freundlich, gegenüber Bittstellern bisweilen gönnerhaft und überheblich, und wenn es nicht nach seinem Willen läuft, dann richtig patzig. Aber das sind nur subjektive Eindrücke ohne allgemeine Gültigkeit.
Auf jeden Fall dürfte Klaus Tappeser genau der Richtige sein, um ein Projekt wie das Biosphärenreservat Oberschwaben-Allgäu durchzudrücken. Denn zu verlieren hat er nichts, auch wenn die Biosphäre krachend untergeht. Dann haben die Grünen ihr Spielzeug eben selbst zerkloppt.
Kommt die Biosphäre, steht Klaus Tappeser bei der Eröffnung in der ersten Reihe neben den Spitzen der Regierung – wer auch immer das sein wird. Und liefert bestes Fotofutter für die Bildberichterstatter: sich selbst.
Es könnte Tappesers Geisterstunde als Polit-Zombie und die Wiederauferstehung eines machtbewussten Politikers werden.