Die Strategie von Thekla Walkers Schattenkämpfern

Moorwanderung mit NABU-Naturschützerin Katrin Fritzsch

Der SPHÄRMAN wohnte einer Veranstaltung getarnter GRÜNER bei, erlebte das organisierte Chaos, und lernte, wie die Biosphärenwerber ihre Kampagne umsetzen.

Lokalpolitiker und Parteimitglieder der GRÜNEN treten unter phantasievollen Organisationsnamen auf, um Thekla Walkers geplante UNESCO-Biosphäre für Oberschwaben (und ohne) Allgäu zu loben. Was steckt dahinter?

Vermutlich gebricht es Walkers Biosphären-Werbern (offiziell „Prozessteam“ genannt) unter dem Kommando des CDU-Bürgermeisters und Multibeamten Timo Egger zunehmend an Glaubwürdigkeit. Etwa weil zu viel gelogen wurde?

Jedenfalls gehen GRÜNE unter Tarnnamen auf Werbetour, um das zu retten, was vom Projekt Biosphäre in Oberschwaben übrig blieb.

Wie jetzt: nur Oberschwaben?

Korrekt. Stuttgart hat sich offenbar damit abgefunden, dass das schwäbische Allgäu aus dem sogenannten Suchgebiet herausgerutscht ist. Offiziell ist das aber nicht.

Sie treten zum Beispiel als „Forum Zukunft gestalten“ auf, hinter dem der Kreisverband Ravensburg von Bündnis 90 / Die GRÜNEN steckt. Dieses „Forum“ wird ganz ungeniert aus Landesmitteln gefördert – mit freundlicher Unterstützung aus Winfried Kretschmanns Staatsministerium. Oder als Verein „Pro Biosphäre“, dessen prominentestes Mitglied Gottfried Härle heißt.

Ja, genau: jener Gemeinderat und Bierbrauer Gottfried Härle aus Leutkirch, dem der SPHÄRMAN nachwies, dass er seine Brauerei Clemens Härle grüner schwindelt als sie ist.

Ähnlich wie im „Forum Zukunft gestalten“ handelt es sich bei fast allen bekannten Mitgliedern von „Pro Biosphäre“ um Lokalpolitiker der GRÜNEN: Bernhard Klein = Gemeinderat der GRÜNEN in Kißlegg; Dorothée Natalis = Kreistagsabgeordnete der GRÜNEN in Ravensburg; Alfons Notz = Gemeinderat des GRÜNEN Bürgerforums in Leutkirch; Eva-Maria Armbruster = Mitglied der GRÜNEN Liste Wilhelmsdorf; und schließlich Gottfried Härle = Fraktionsvorsitzender des GRÜNEN Bürgerforums Leutkirch.

Genau diese Leute vom Verein „Pro Biosphäre“ luden neulich mit der „Bürgerakademie Oberschwaben“ und dem NABU-Naturschutzzentrum Federsee zum Informationsabend über das geplante UNESCO-Biosphärengebiet Oberschwaben ein.

So stand es in der SchwäZ, die der SPHÄRMAN auch im fernen Wien liest und jedes Mal seine Sachen packt, wenn ein interessanter Termin ansteht. Die Anreise mit Bahn und Bus erfolgte mit über zwei Stunden Verspätung, weil ein Anschluss in Kißlegg nicht erreicht wurde.

So etwas passiert dem SPHÄRMAN oft, wenn er ein Ziel in Südschwaben erreichen will. Das passt ganz wunderbar zu einer Erfolgsmeldung, die BAWÜ-Verkehrsminister Winfried Hermann vor wenigen Tagen über seinen Schienenpersonennahverkehr (SPNV) verbreiten ließ: „Die positive Entwicklung freut mich sehr – für alle, die daran mitgewirkt haben, und vor allem für die Fahrgäste.“

Wer glaubt eigentlich noch, was diese Menschen rausblasen?

Zurück zur Biosphäre. Gleich nach der (gerade noch rechtzeitigen) Ankunft des SPHÄRMAN im schmucken Kurort Bad Buchau, wo die Vorfahren von Albert Einstein lebten, begab er sich ins NABU-Naturschutzzentrum. Dort begann eine geführte Wanderung übers Moor. Es war der Auftakt zum oben genannten „Informationsabend“.

Damit beginnt mein Bericht über die seltsamste Biosphärenveranstaltung, der ich beiwohnte, seit ich mich für die Biosphäre Oberschwaben und (nicht mehr) Allgäu interessiere.

Und ich habe als SPHÄRMAN schon manch merkwürdiges Biosphärentreffen miterlebt, wie die meisten meiner Leser wissen.

Heiß brennt die Abendsonne, doch frischer Wind fächelt den ca. 60 Wanderern Kühlung auf die Stirn. Stahlblau wölbt sich der Himmel über Oberschwaben. Zartknisternd raschelt das Schilf. Ab und an ertönt ein dünner Vogelschrei.

Die örtliche NABU-Chefin und Biologin Katrin Fritzsch beginnt zu erklären, schildert den Wohnraum von Tieren und Pflanzen, wie das Moor entstand und allmählich wieder verschwand. Denn dort, wo wir über eine Stunde lang über einen befestigten Steg schreiten und immer wieder Pause machen, um die Naturschützerin zu hören, befinden sich die Reste einer gigantischen Sumpflandschaft, die einst entstand als sich der Rheingletscher zurückzog. Das ist 15 Millionen Jahre her. Heute ist das Naturschutzgebiet Federsee ein berückendes Paradies, in dem es von Arten wuselt.

Das alles ist hochinteressant und der SPHÄRMAN denkt am Schluss der kurzen Wanderung: wieder was gelernt. Wer aber ist diese promovierte Naturschützerin Katrin Fritzsch, die uns so einfühlsam ihren Arbeitsplatz vorstellt, bevor es zum „Informationsabend“ im Gesundheitszentrum Federsee geht?

Und warum liefert Sie den Auftakt zu einer Veranstaltung, in der für die Biosphäre geworben wird?

Der SPHÄRMAN gugelt und stößt auf ein brandaktuelles Interview mit Katrin Fritzsch in der lokalen „Bildschirmzeitung“, das der ultralinke Miniverleger Roland Reck führte, der in Aulendorf das Programmheftchen BLIX herausgibt und ein glühender Fan des geplanten UNESCO-Dings ist.

Aber irgendwas ist komisch an diesem Interview, das wohl ursprünglich als Biosphärenreklame gedacht war.

Naturschützerin Katrin Fritzsch mag sich nicht so recht begeistern und erklärt auf die Frage, ob sie die Einrichtung des Biosphärenreservats begrüßen und unterstützen würde, vorsichtig-distanziert: „Ich begleite den Prozess sehr wohlwollend und ich würde mir für die Region wünschen, dass nachhaltiges Wirtschaften einen höheren Stellenwert bekommt. Für den Schutz von Natur wird es meines Erachtens leider keine großartigen Verbesserungen bringen, weil die potenziellen Kern- und Pflegezonen alle in bereits bestehenden Schutzgebieten liegen.“

Nanu, eine Naturschützerin, die sich NICHT vorbehaltlos für die Biosphäre ausspricht?

Vielleicht erschließen sich dem SPHÄRMAN neue Erkenntnisse, wenn er im Kurzentrum sitzt und dem Biosphärenvortrag von Dieter Giehmann lauscht.

Wer ist das jetzt?

Dieter Giehmann ist Leiter der Bürgerakademie Donau-Oberschwaben in Riedlingen, wo man sich in Fortbildungsdingen engagiert. Die Schwerpunkte seiner Arbeit liegen in Themenbereichen, die das Alter betreffen. Also Pflege, Umgang mit digitalen Technologien, finanzielle Absicherung etc. Das Veranstaltungsprogramm der kargen Website endet im Oktober 2024.

Was ist über Dieter Giehmann noch bekannt?

Zwischen 1997 und 2011 wirkte er in leitender Funktion an der Volkshochschule Donau-Bussen, die ebenfalls in Riedlingen angesiedelt ist.

Warum führt Dieter Giehmann diesen „Informationsabend“ an und was verbindet ihn mit Thekla Walkers Biosphärentraum?

Der SPHÄRMAN recherchiert kurz und findet raus: Im sogenannten „Prüfprozess“ für die Biosphäre Oberschwaben und (damals noch) Allgäu war Dieter Giehmann Berichterstatter für den Arbeitskreis „Bildung für nachhaltige Entwicklung“, auch BNE genannt.

Was ist BNE?

Auf der Website des Biosphären-Prozessteams steht Wolkiges: Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) ist ein inspirierender pädagogischer Ansatz, der Menschen dazu befähigt, Wissen, Fähigkeiten, Werte und Einstellungen zu erlangen, um nachhaltig zu handeln und eine lebenswerte Zukunft für alle zu gestalten. Das Verständnis für die vielfältigen Zusammenhänge zwischen Ökologie, Wirtschaft, Sozialem, Kulturellem und politisch-administrativen Grenzen spielt dabei eine entscheidende Rolle. Dieses Verständnis hilft dabei, den wachsenden Anforderungen des Alltags positiv zu begegnen und sich nicht überfordert zu fühlen.

Der SPHÄRMAN stellt fest: Dieter Giehmann und seine Bürgerakademie Donau-Oberschwaben sind Partner im Prüfprozess für das geplante UNESCO-Biosphärenreservat Oberschwaben und (jetzt nicht mehr) Allgäu. Und mit dem Biosphärenreservat Schwarzwald ist Giehmanns Verein bereits im Geschäft.

In einem Dokument auf der Website des Biosphären-Prozessteams Oberschwaben wird eine vertiefte Zusammenarbeit mit Giehmanns Bürgerakademie empfohlen, falls es zum dritten Biosphärenreservat in Baden-Württemberg kommt.

Es scheint, Thekla Walkers Biosphärenmacher und Dieter Giehmanns Bürgerakademie leben in einer fruchtbaren Symbiose, in der beide Seiten profitieren. Ein guter Grund für Dieter Giehmann, sein heutiges Publikum mit viel Leidenschaft und Wissen von der Biosphäre zu überzeugen.

Erwartungsvoll begibt sich der SPHÄRMAN ins Kurzentrum und freut sich auf kluge Gedanken, die für die Biosphäre sprechen. Doch es kommt anders als erwartet.

Es ist kurz vor acht. Das Foyer im Kurzentrum ist übervoll besetzt. Viele müssen sich vom nebenan gelegenen Hauptsaal Stühle herbeischaffen. Offenbar hat man mit geringerem Interesse gerechnet. Der SPHÄRMAN zählt ungefähr 150 Besucher. Die sind in der Mehrheit nicht mehr ganz jung.

Los geht’s. Bernhard Klein, Komponist, GRÜNEN-Gemeinderat in Kißlegg und Vorstand des Vereins „Pro Biosphäre“, eröffnet schwungvoll die Veranstaltung. Der Mann kann reden, macht aber keine großen Worte, sondern moderiert zackig Dieter Giehmann an, der freudestrahlend bereitsteht, um ins Thema einzusteigen.

Dieter Giehmann sieht aus wie ein netter Lehrer kurz vor der Rente. Ein Kranz weißen Haupthaars verleiht seiner blanken Stirn eine gewisse Denker-Aura. Giehmanns Vortrag heißt „Gemeinsam für unsere Heimat“. So steht es auf dem Projektionsschirm vorne im Raum.

Wie so oft wird als erstes die gute alte Schwäbische Alb ins Spiel gebracht. 18 Gemeinden drängen ins Schutzgebiet, betont Giehmann feierlich.

Warum die strukturschwache Alb ein schlechter Kronzeuge für die Biosphäre in Oberschwaben und (nicht mehr) Allgäu ist, hat der SPHÄRMAN schon öfter dargelegt: Die Böden sind karg und das raue Klima macht den Bauern das Leben schwer. Ohne Fördermittel wäre ein erheblicher Teil der Höfe nicht überlebensfähig. Öffentliche Zuschüsse machen teils über 40% des Einkommens von Alb-Landwirten aus. Landflucht ist auch ein ernstes Problem. Alles Zustände, die man in Oberschwaben und dem schwäbischen Allgäu nicht kennt.

Stuttgart hat leichtes Spiel auf der Alb und lockt erfolgreich Kommunen mit Fördergeld ins Schutzgebiet. Wie der Kinderfänger in „Tschitty Tschitty Bäng Bäng“. Derweil packen junge Leute ihre Sachen und wandern ab.

Der Alb-Trumpf ist ein oft genutzter Bluff. Dieter Giehmann hätte sich ein originelleres Argument für den Auftakt einfallen lassen können.

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Dann zieht Dieter Giehmann die UNESCO-Karte. Bad Buchau sei ja ganz vorne in Sachen UNESCO, meint er sinngemäß. Prähistorische Pfahlbauten, Federseemuseum und UNESCO-Gymnasium in einer Stadt: Donnerwetter!

„Jetzt fehlt nur noch ein UNESCO-Biosphärenreservat“, sagt er.

Das ist ein lustiger Gag, aber als Argument eher schwach. Ein paar Lacher aus dem Publikum kommen nun gerade recht, denn plötzlich zickt die Projektionstechnik rum. Irgendwie scheint die Verbindung zwischen Giehmanns Laptop und dem Schirm nicht zu klappen. Das Bild fällt aus, kommt später wieder. Derweil liest Giehmann die Genese des schwäbischen Biosphärenprojekts für Oberschwaben und (nicht mehr) Allgäu vom Blatt und betont die Bedeutung der Moore.

Das ist jetzt wirklich ein alter Hut, aber vielleicht kennt nicht jeder die Biosphärenhistorie. Der SPHÄRMAN sollte toleranter sein.

Gelangweilt blickt er um sich und stellt fest: Zwei Reihen vor ihm sitzt Franz Bühler aus Thekla Walkers Biosphären-Prozessteam im blassen Blümchenhemd mitten im Publikum. Normalerweise steht dieser Mann vorne und referiert über die Vorzüge der Biosphäre.

Dann zitiert Giehmann langatmig aus dem Koalitionsvertrag, in dem die Prüfung eines dritten Biosphärenreservats für Oberschwaben und (damals noch) Allgäu festgeschrieben wurde. Gähn. Und springt dann plötzlich in die Gegenwart, behauptet wortwörtlich: „Nein, für die Menschen im Biosphärengebiet bedeutet die UNESCO keine Bürokratie im Alltag.“

Was ist denn das für ein irrer Satz?

Natürlich verursacht die UNESCO keine Bürokratie, das kriegen deutsche Politiker-Beamte schon selber hin. Glaubt Giehmann mit rhetorischen Tricks Punkte für die Biosphäre machen zu können?

Giehmann zählt die Vorteile auf, die das Biosphärenreservat bringen soll. Es folgen die üblichen Worthülsen der Biosphärenwerber: Förderungen, internationale Sichtbarkeit, Bildung, Tourismus, Wertschöpfung. Der SPHÄRMAN hat diese Sprüche schon oft gehört.

Stur rezitiert Giehmann die Sätze vom Projektionsschirm. Doch plötzlich verwandelt sich die Schrift in ein unlesbares Muster. Die Elektronik! Nervös fuchtelt Giehmann mit der Fernbedienung rum. Als das nichts bringt, greift er nach den ausgedruckten Blättern und liest daraus stockend vor.

Das alles wirkt hilflos. Ist der langjährige Leiter der Bürgerakademie Oberschwaben nicht in der Lage, sich auf einen Vortrag vorzubereiten, vorab die Geräte zu prüfen und notfalls frei zu sprechen, wenn die Technik versagt?

Ich beobachte Franz Bühler vom Biosphären-Prozessteam. Leider sehe ich nur den Hinterkopf, der sich nicht bewegt. Vielleicht denkt Bühler gerade, dass es keine gute Idee war, diesen Vortrag an einen Dilettanten auszulagern. Andererseits: Das Prozessteam darf ja keine offensichtliche Biosphärenreklame machen. Privatleute wie Giehmann schon. Sie können verbreiten, was ihnen gefällt.

Während der SPHÄRMAN vor sich hingrübelt, kommt plötzlich Bühlers Prozessteam-Kollegin Lisa Polak dazu, setzt sich nebenan hin. Scheinbar sind die beiden ganz normale Zuhörer und haben mit dem Vortrag nichts zu tun. Oder vielleicht doch?

Vorne salbadert Giehmann weiter über die Segnungen der Biosphäre für Landwirtschaft, Handwerk, Tourismus, Gesundheitseinrichtungen, Direktvermarktung. Uff. Dann das unvermeidliche Stichwort der Biosphärenjünger: PALUDI!

Der SPHÄRMAN muss innerlich lachen. Das Wort geistert wie ein Kobold durch jeden Biosphärenauftritt.

PALUDI ist die vermeintliche Geheimwaffe der Biosphärenwerber. In aller Kürze: Aus dem Moorschilf in der Biosphäre lässt sich eine blühende Wertschöpfung aufbauen, behaupten die Biosphärenwerber. Für die Herstellung von Dämmstoffen, Verpackungsmaterial etc., behauptet Dieter Giehmann ohne Details zu nennen. Tatsache ist: Es wird mit Paludi experimentiert, aber von einer industriellen Nutzung ist man weit entfernt.

Inzwischen ist auf dem Projektionsschirm fast nichts mehr zu erkennen, obwohl Giehmann wild hin- und herklickt. Fahrig blättert er durch seine Zettel und liest Passagen daraus vor, vergisst dabei immer wieder, das Mikro zum Mund zu führen.

In einer Bildtafel auf dem Schirm steht unter der Überschrift „Verordnungsentwurf“ wenig Lesbares, aber ein paar Wörter kann der SPHÄRMAN entziffern: „Grundsätzlich keine zusätzlichen Einschränkungen für…“ Mehr ist nicht erkennbar.

Der SPHÄRMAN, der schon ein bisschen Erfahrung mit solchen Texten hat, bittet um Aufmerksamkeit auf dieses Detail: Was heißt hier GRUNDSÄTZLICH?

Dazu schreibt Prof. Peter Gröscher vom Lehrstuhl für Bürgerliches Recht und Römisches Recht an der Uni Mainz: In Bezug auf das Wort »grundsätzlich« besteht ein erheblicher Unterschied zwischen allgemeinem und juristischem Sprachgebrauch. Wird dieser Unterschied nicht beachtet, kann es leicht zu Missverständnissen kommen. Im allgemeinen Sprachgebrauch wird das Adjektiv »grundsätzlich« überwiegend mit der Bedeutung »immer« oder »stets« verwendet. Demgegenüber dient »grundsätzlich« im juristischen Sprachgebrauch dazu, einen Grundsatz zu kennzeichnen, der Ausnahmen zulässt – und geradezu erwarten lässt. Das Adjektiv bedeutet hier also gerade nicht »immer« oder »stets«.

Aha. Heißt im Klartext: Zusätzliche Einschränkungen sind durchaus erwartbar. So führt man Menschen an der Nase rum. Aber ist einer wie Dieter Giehmann fähig, Täuschungsmanöver auf diesem Niveau zu realisieren?

Der SPHÄRMAN glaubt: eher nicht. Giehmanns Vortrag muss von einer anderen Person aufgeschrieben worden sein. Und die sitzt vielleicht sogar im Publikum.

Giehmann fährt fort und liest die bekannten Glaubenssätze der Biosphärenwerber vom Zettel ab: „Keine neuen Einschränkungen.“ Und: „Es gibt in der Entwicklungszone keine Nutzungseinschränkungen. Und auch in der Pflegezone geht es weiter wie bisher.“

Das ist entweder bewusst gelogen oder Dieter Giehmann hat nicht den geringsten Schimmer davon, was im Biosphärenreservat Rhön passiert: Riesige Flächen, die bis vor Kurzem in der Entwicklungszone lagen, sind ab sofort Teil von Kern- und Pflegezonen und dürfen nicht mehr wie gewohnt bewirtschaftet werden. Der SPHÄRMAN hat darüber mehrere Artikel geschrieben.

Es erscheint die bekannte Gebietskarte für die Biosphäre Oberschwaben-Allgäu und dem schraffierten Teil, der nun übrig ist. Wie man sieht, ist das schwäbische Allgäu nicht mehr betroffen.

Aus dem Publikum fragt einer: „Wo ist das Allgäu geblieben?“

Giehmann stutzt, blickt zu Boden und nuschelt ins Mikro: „Das ist raus.“

Rückfrage: „Warum?“

GIEHMANN: „Das bleibt weg, weil es sonst zu groß wird.“

Einige ganz hinten lachen laut auf.

Kurze Unterbrechung, um etwas klarzustellen: Hier geht es nicht darum, einen älteren Herrn der Lächerlichkeit preiszugeben, der für eine Sache eintritt, die ihm wichtig ist. Nur weil er sich dabei ungeschickt anstellt.

Wäre Dieter Giehmann Festredner auf einer Goldenen Hochzeit oder Gratulant zum Vereinsjubiläum der Orchideenzüchter Riedlingen, würde der SPHÄRMAN freundlich nicken und das ganze Chaos unerwähnt lassen. Das gebietet die Höflichkeit.

Aber hier wurden Bürger ins Kurzentrum Bad Buchau eingeladen, um sich über ein gigantisches Projekt zu informieren, das den Lebensraum von weit über Hunderttausend Menschen verändert – durch administrative Umwälzungen, in deren Folge Gemeinden das Mitspracherecht darüber entzogen wird, was auf ihren Böden geschieht. Fortan bestimmt das Umweltministerium in Stuttgart.

Ja, hier handelt es sich wohl um die planvoll umgesetzte Aufhebung der Demokratie auf kommunaler Ebene. Und Dieter Giehmann hilft mit. Der SPHÄRMAN sieht sich in der Chronistenpflicht darüber aufzuklären.

Weiter geht’s mit meinem Report aus Bad Buchau.

Offenbar merkt Dieter Giehmann, dass er sich in Widersprüche verstrickt. Und er sagt: „Man hört immer wieder, da wird in Stuttgart oder Brüssel entschieden, aber das ist nicht der Fall. Es wird vor Ort in der Geschäftsstelle [Anmerkung: des Biosphärenreservats] entschieden, gemeinsam mit dem sogenannten Lenkungskreis, Behörden, Gemeinden…“

Auch das ist entlarvend. Die Geschäftsstellen der beiden bestehenden Biosphärenreservate sind nämlich Fachbehörden des Landes Baden-Württemberg und DIREKT den jeweiligen Regierungspräsidien in Tübingen und Freiburg unterstellt. Und die wiederum sind weisungsgebundene Mittelbehörden, die aus Stuttgart gesteuert werden.

Was für ein manipulativer Popanz! Feinde des geplanten Biosphärenreservats Oberschwaben sollten dankbar für Dieter Giehmanns Auftritt sein, denn er bestätigt ungewollt alle Befürchtungen.

Dann kommt ein anderer Evergreen aus Thekla Walkers Biosphärenrevue. Giehmann nuschelt: „Die Gemeinden können aus wichtigem Grund sofort austreten, zum Beispiel wegen einer Gesetzesänderung, oder grundlos nach einer gewissen Frist.“

Dazu stellt später ein Teilnehmer eine interessante Frage, auf die er eine noch interessantere Antwort erhält. Mehr dazu weiter unten.

Es folgt das nächste Schaubild über die Kosten der geplanten Biosphäre. Der Text ist komplett unlesbar. Giehmann gibt nicht auf und liest nuschelnd vom Blatt. In den hinteren Reihen, wo der SPHÄRMAN sitzt, versteht man fast nichts.

Dann ereignet sich eine bemerkenswerte Szene.

Biosphären-Prozessteam-Mitglied Lisa Polak, die neben Franz Bühler sitzt und bislang reglos dem Schauspiel folgte, gibt ein Handzeichen, erhebt die Stimme und bietet Dieter Giehmann ihren Laptop an. Möglicherweise kommt Giehmanns Betriebssystem nicht mit der digitalen Präsentation klar. Lisa Polaks Rechner vielleicht schon. Aber Giehmann lehnt dankend ab.

Eine Frage drängt sich auf: Wurde Dieter Giehmanns suggestive Präsentation auf Lisa Polaks Rechner erstellt und kommt der ganze Vortrags-Zinnober aus Thekla Walkers Prozessteam?

Dieter Giehmann ist am Ende seiner Ausführungen angelangt. Die Fragerunde mit Stimmen aus dem Publikum beginnt.

Bernhard Klein (der Komponist und GRÜNEN-Gemeinderat) versucht die allgemeine Ratlosigkeit einzufangen und fordert mit klarer Stimme das Publikum auf, Fragen zu stellen. Es folgen eine Menge Wortmeldungen. Der SPHÄRMAN pickt sich die Highlights raus. Natürlich auch von jenen, die der Biosphäre wohlgesinnt sind.

Einer fragt, wie viele Gemeinden im verbliebenen Suchgebiet der Biosphäre zustimmen müssen, damit das Projekt realisiert wird.

Dieter Giehmann spricht plötzlich flüssig und entspannt. Die Präsentation scheint ihn selbst gequält zu haben. Jetzt blüht er auf und sagt gut gelaunt: „Wenn wir Dreißigtausend Hektar zusammenbekommen, können wir über das Biosphärengebiet reden.“ Das ist jetzt keine Überraschung, denn die UNESCO schreibt für das Biosphärensiegel genau diese Minimalfläche vor.

Ein anderer fragt: „Welche Risiken für Bad Buchau gibt es?“

GIEHMANN: „Wenn es eine Stadt ohne negative Aspekte gibt, dann ist es Bad Buchau. Das is a gmähts Wiesle, um nachhaltige Entwicklung zu betreiben.“

Einer fragt: „Wozu braucht man ein Biosphärengebiet?“

GIEHMANN: „Die Kernbotschaft ist, dass man sich gemeinsam auf den Weg macht. Mobilität für Ältere und so weiter. Das muss sich jede Gemeinde selbst überlegen.“

Und dann klingt Giehmann wie ein Pfarrer: „Der Nutzen besteht darin, dass die Gemeinde weiß, was sie möchte. Zum Beispiel einen Biosphärenkindergarten.“

Eine Dame, die neben dem SPHÄRMAN sitzt und sieht, wie er eilig mitnotiert, neigt sich zu ihm rüber und raunt: „Wozu brauchen wir diese Biosphäre eigentlich? Das haben wir doch schon alles…“

Jetzt ergreift die GRÜNEN-Lokalpolitikerin Dorothee Natalis vom Verein „Pro Biosphäre“ das Mikro und sagt: „In der Geschäftsstelle [Anmerkung: des Biosphärenreservats] sitzen Leute, die bei diesen Ideen helfen und Verbündete suchen.“

Der SPHÄRMAN befindet: Das heißt dann wohl betreutes Denken.

Ihr Ehegatte Malte Natalis springt herbei und sagt irgendwas über PALUDI. Der SPHÄRMAN versteht nur einen Teil. Wortwörtlich: „Es gibt sogar eine Automarke mit Kotflügeln aus diesen Fasern!“ Das klingt interessant und der SPHÄRMANN will mehr wissen. Deshalb schreibt er später dem Arzt und bittet um Auskunft, welcher Autohersteller das macht. Bisher kam keine Antwort.

Einer fragt: „Warum gehen Sie nicht auf die Bedenken der Landwirtschaft ein? Man hat das Gefühl, die sind nur böse…“

MALTE NATALIS: „Das haben wir in den Arbeitskreisen gemacht. Die Bauern sind von FFH gezeichnet. Es wird in der Pflege- und Entwicklungszone keine weiteren Einschränkungen geben. Aber wir werden noch mehr Naturschutz machen müssen. Mit Biosphäre oder ohne.“

[ERKLÄRUNG: FFH steht für Flora-Fauna-Habitat. Der Schreck über den (von der ehemals alleinregierenden CDU begangenen) Betrug im Zusammenhang mit den FFH-Gebieten steckt vielen Landnutzern bis heute in den Knochen. Damals (um 2010) wurden weite Flächen – entgegen anderslautenden Versprechen der Politik – über die Köpfe der Eigentümer hinweg als Flora-Fauna-Habitat-Gebiete ausgewiesen und die Bauern mit erheblichen Einschränkungen bei der Bewirtschaftung belegt.]

Einer fragt: „Gibt es Gespräche mit denen, die gegen die Biosphäre sind?“

MALTE NATALIS: „Der Verein, der dagegen ist, verweigert das Gespräch.“

Natalis meint wahrscheinlich die „Allianz für Allgäu-Oberschwaben“, in der sich Landwirte, Forstbetriebe und andere zusammengetan haben.

Die nächsten Sprecher geben Rätsel auf.

Einer sagt weihevoll ins Mikro: „Die Biosphäre macht keine Vorschriften.“ Seine Aussage bleibt im Raum stehen wie das Amen in der Kirche.

Ein anderer heißt Walter Hummler und ist Geschäftsführer der Moor-Heilbad Buchau gGmbH (dazu gehören Federseeklinik, Kurzentrum, Thermenhotel) und der Schlossklinik Bad Buchau gGmbH.

Herr Hummler will keine Frage stellen, aber etwas sagen. Sinngemäß ist das: Die Wirtschaft wird nicht gehört. Das Biosphärengebiet bietet große Chancen. Wir bedauern, dass unsere Daten für die KI-Anwendung [Anmerkung: künstliche Intelligenz] in den USA gespeichert werden.

Wollte Hummler einfach nur etwas Nettes über die Biosphäre sagen und ist dabei gedanklich auf ein Abstellgleis geraten? Der SPHÄRMAN hätte gerne Näheres gewusst und fragte schriftlich nach, was Hummler meinte. Wie so oft von Biosphärenfreunden kam nach langer Wartezeit: nichts.

Dann meldet sich ein interessanter Gast zu Wort: Der Biologe Jörg Lange-Eichholz ist ein regional angesehener und bekannter Naturschützer, den man leicht an seinem langen grauen Haupthaar und ebensolchen Bart erkennt.

Lange-Eichholz ist dem mächtigen BUND (Bund für Umwelt und Naturschutz) eng verbunden und stellte sich 2024 als GRÜNEN-Kandidat der Gemeinderatswahl in Bad Buchau. Leider erfolglos. Man muss nicht lange nachdenken, ob Jörg Lange-Eichholz für oder gegen die Biosphäre ist.

Im Kurzentrum ergreift er das Mikrofon und sagt ganz trocken: „Wer sich von diesem Biosphärengebiet ein Füllhorn erwartet, wird enttäuscht sein.“ Wahrscheinlich gehen ihm die jahrelang wiedergekäuten Hinweise auf mannigfaltige Förderungen durch die Biosphäre auf den Geist.

Einer vom Fischereiverein Federsee, dessen Zugehörigkeit aufs T-Shirt gedruckt ist, fragt: „Wie steigt man nachträglich aus der Biosphäre aus?“

Dieter Giehmann wiederholt seine Auskunft vom Beginn der Veranstaltung: „Aus wichtigem Grund sofort und grundlos nach Ablauf einer Frist.“

Der Frager will sich damit nicht zufriedengeben und hakt nach: „Wie viele Jahre dauert diese Frist?“

Giehmann merkt an, dass diese Frist noch nicht festgelegt sei.

Da eilt Malte Natalis zu Prozessteam-Mitglied Franz Bühler, der reichlich überrascht wirkt. Es scheint ihm nicht zu gefallen, dass er hier das Wort ergreifen muss. Natalis hält ihm trotzdem das Mikro vors Gesicht und Bühler gibt Auskunft: „Die Verordnung ist in den Landratsämtern im Entwurf, zusammen mit dem Ministerium.“ Gemeint ist ganz sicher Thekla Walkers Umweltministerium. Und: „Eine Frist für die ordentliche Kündigung steht noch nicht fest.“

Womit sich der Bogen von Dieter Giehmanns „Informationsabend“ in Bad Buchau zu Thekla Walkers Ministerium schließt und diese Reportage zu Ende ist.

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