Wie viel DDR steckt in den Biosphären Baden-Württembergs?

Der GRÜNEN-Abgeordnete Markus Rösler brachte das DDR-Nationalparkprogramm nach Stuttgart

Sperrt die Menschen aus! Der erste Biosphärenplaner Baden-Württembergs sah das Nationalparkprogramm der DDR als Vorbild

Der Spuk ist vorbei. Das UNESCO-Biosphärenreservat für Oberschwaben und Allgäu wurde abgesagt. Zeit Bilanz zu ziehen.

Über zwei Jahre lang begleitete der SPHÄRMAN das Projekt und deckte auf, wie ein Netzwerk aus GRÜNEN-Politikern, karrierebewussten CDU-Beamten und professionellen Fördermittelempfängern eine kostspielige Kampagne für das Biosphärenmonster und sich selbst betrieben.

So unterschiedlich diese Personen auftraten – eines ist Ihnen gemein: Alle saugen an den Zitzen des Steue taats und leben von einer Substanz, zu der sie nichts beitragen.

Große Versprechungen und kreative Lügen prägten die Kampagne aus dem Umweltministerium. Die waren manchmal so verlockend ausgeschmückt, dass der SPHÄRMAN staunte. Wer die Details noch nicht kennt, kann weiter unten im Newsletter-Archiv stöbern.

Die ohnehin schon sehr regierungsfreundliche Schwabenpresse durchschaute nichts oder blickte absichtlich weg.

Aber: WARUM wollte Stuttgart die Herrschaft über Wiesen und Wälder Oberschwabens an sich reißen?

Vielleicht ist die Antwort ganz einfach: Wer die Natur kontrolliert, kontrolliert einen wichtigen Teil der zukünftigen Klimawirtschaft.

Ökonomen gehen davon aus, dass schon 2040 der Handel mit CO₂-Zertifikaten ein zentraler Bestandteil der Weltwirtschaft ist. Folge: Vegetationsreiche Flächen steigen im Wert, weil sie viel CO₂ speichern und dadurch hochpreisige Zertifikate erzeugen. Eine präzise Überwachung von Wäldern und Böden ist nötig, um die CO₂-Bindung exakt nachzuweisen.

Kam es deshalb zur aberwitzigen Idee, eine riesige dichtbesiedelte und prosperierende Region mit Tausenden Gewerbebetrieben und vielen Zehntausend Hektar bestehender Schutzgebiete (Bannwälder, Naturschutzgebiete, Landschaftsschutzgebiete, FFH-Gebiete, Vogelschutzgebiete etc.) unter die Kontrolle einer Zentralbehörde zu stellen?

Denn nichts anderes bewirkt der rechtliche Status eines deutschen UNESCO-Biosphärenreservats: Kommunale und private Landeigentümer werden entmachtet, das Land übernimmt die Kontrolle.

Auch wenn die Biosphärenwerber das vehement bestreiten: Das ist Enteignung im ersten Schritt. Wer sein Land nicht mehr wirtschaftlich bestellen darf, muss es früher der später abstoßen. Ein neuer Besitzer übernimmt. Und der heißt Staat.

Vieleicht ging es in Wahrheit nie um „Regionalität“, „Tourismus“, „Mensch und Natur“ und alle anderen Lieblingsvokabeln der Biosphärenwerber, sondern einfach nur um GELD?

Diese Frage macht den SPHÄRMAN nachdenklich.

Wir bleiben in der Nähe der Zwangskollektivierung, springen aber in eine andere Epoche und widmen uns einem Aspekt, für den der SPHÄRMAN in den letzten zwei Jahren nie richtig Zeit hatte, weil immer irgendetwas Dringenderes abgearbeitet werden musste: Die historischen Wurzeln der schwäbischen UNESCO-Biosphärenreservate (inklusive der gescheiterten Biosphäre Oberschwaben) und deren ideologische DNA. 

Denn als Blaupause für diese Großschutzgebiete diente das Nationalparkprogramm der DDR, das im Windschatten der Vorwendezeit von engagierten Beamten in den Behörden der zusammenbrechenden SED-Diktatur umgesetzt wurde.

Kein Witz. 

So steht es schwarz auf weiß in einer umfangreichen Dissertation des GRÜNEN-Politikers Markus Rösler, der als Erfinder der UNESCO-Biosphärenreservate Baden-Württembergs gilt und mit Unterstützung seines Doktorvaters, dem DDR-Naturschützer Michael Succow, das Konzept der DDR-Naturparks für Baden-Württembergs Biosphären übernahm.

Gelegentlich schrieb der SPHÄRMAN „Ökomarxismus“, wenn er die Pläne Stuttgarts für die Biosphäre Oberschwaben charakterisierte. Das wirkte auf manche vielleicht überzogen. 

Nach dieser E-Mail weißt du, wie richtig der SPHÄRMAN damit lag.

Man muss Markus Rösler zugestehen: Seine Diss ist richtig gut geschrieben.

Insbesondere der Teil über das DDR-Nationalparkprogramm ab Seite 275 wirkt wie das Skript für eine fesselnde Dokumentation über die handstreichartige Landnahme gewaltiger Naturflächen durch listige Naturschutzbeamte, denen gerade keiner auf die Finger schaut, weil die Massen auf der Straße stehen und rufen: WIR SIND DAS VOLK!

Dass die unberührten Naturlandschaften von der giftigen Schwerindustrie der DDR und ihrer sagenhaften Umweltzerstörung verschont geblieben waren, galt schon als Wunder. Dann klopfte plötzlich die Marktwirtschaft an, vor deren Zugriff man die Gebiete auch noch retten musste. Das taten Succow und seine Mitstreiter mit Erfolg.

Heute ist der hochbetagte Michael Succow, der 1997 den Right Livelihood Award erhielt (wird oft als „alternativer Nobelpreis“ bezeichnet) Ehrenmitglied im Stiftungsrat der Michael Succow Stiftung in Greifswald, die jährlich Millionenförderungen (unter anderem aus deutschen Steuermitteln) erhält und damit schwerpunktmäßig Umweltprojekte in Ländern des ehemaligen Sowjetreichs fördert.

Aber wie kam der Obstbauernsohn, Naturfreund und Student Michael Rösler aus Gerlingen bei Stuttgart mit dem DDR-Naturschutz in Kontakt?

Auf seiner Website schreibt der langjährige Landtagsabgeordnete der GRÜNEN: „Sowohl über die eigene und angeheiratete Verwandtschaft als auch über meine persönliche Geschichte in Berlin und in der DDR habe ich eine sehr enge Beziehung zu DDR, Mauerfall und Wendezeit sowie die Situation in den neuen Ländern.“

Dank eines Stipendiums durfte Rösler 1988 am Institut für Landschaftsforschung und Naturschutz in Greifswald tiefe Einblicke in den realsozialistischen Naturschutz und das DDR-Naturparkprogramm nehmen und Kontakte in die Naturschützerszene knüpfen.

1997 promovierte er an der TU Berlin zum Thema „Arbeitsplätze durch Naturschutz am Beispiel der Biosphärenreservate und der Modellregion Mittlere Schwäbische Alb.“

Darin steht viel, was der SPHÄRMAN aus den Vorträgen und Drucksachen von Thekla Walkers „Prozessteams“ für die Biosphäre kennt: Vermarktungspotential regionaler Lebensmittel, zusätzliche Arbeitsplätze in Landwirtschaft und Verarbeitung, Chancen für den Tourismus usw.

[ERKLÄRUNG: Das Prozessteam war eine Art Kommunikations- und Organisationsagentur des Umweltministeriums für das geplante UNESCO-Biosphärenreservat und dem Landratsamt Ravensburg von Harald Sievers angeschlossen. Aufseher war der CDU-Multibeamte Timo Egger. Dieses Prozessteam war für Administration, Koordination, Öffentlichkeitsarbeit und Entwicklung von Konzepten zuständig und mit vier Experten bestückt: der Raumplanerin und ehemaligen Entwicklungshelferin Lisa Polak, dem Agrarbiologen Franz Bühler, dem Förster und Waldpädagogen Berthold Reichle (ging im Oktober 2025 als Chef in den Nationalpark Schwarzwald) und Petra Bernert, der ehemaligen Chefin des Biosphärenreservats Schwäbische Alb, die ebenfalls vorzeitig ausschied. Offiziell hieß es immer, das Büro informiere neutral, doch angesichts der Prozessteam-Auftritte kann man das mit gutem Gewissen als politischen Etikettenschwindel bezeichnen.]

Lustiges Detail: Unter den zahlreichen Ideen für eine alternative Biosphärenwirtschaft auf der Schwäbischen Alb befindet sich in Markus Röslers Diss auch ein ganz unschwäbisches Gericht: „Ebenfalls als neue regionale Spezialität würde sich ‚Döner aus Alb-Lammfleisch‘ anbieten. Die Nachfrage nach Döner Kebap in Deutschland ist groß, die Zubereitung benötigt relativ wenig Platz und die Vermarktung von Lammfleisch aus der Region und damit ein Beitrag zur Erhaltung von Magerrasen und Wacholderheiden als typisches Landschaftselement der Schwäbischen Alb könnte auch dadurch forciert werden.“

Das alles riecht unverdächtig nach Ökoromantik. Wer dann aber weiterliest und über eine sensible Nase verfügt, wittert Duftmoleküle von Totalitarismus.

Zwar vermeidet Markus Rösler ein Loblied auf die DDR-Diktatur und schreibt am Ende seiner Arbeit, dass „keineswegs einem undemokratischen System das Wort geredet werden soll.“

Doch knapp darüber verweist er fast wehmütig auf die Vorteile des DDR-Systems beim Landraub im Namen der Natur.

„Lobbygruppen gegen den Naturschutz wie z.B. rein betriebswirtschaftlich ausgerichtete Interessensorganisationen waren noch nicht organisiert. In der Minderheit waren Bedenkenträger wie z.B. jener Motorbootbetreiber an der Müritz, der sich in einem Leserbrief an ‚Unsere Illustrierte‘ ärgerte: Über den ‚völlig auf undemokratische Weise getroffenen Beschluss zur Bildung von fünf Nationalparks in der damals kleinen DDR. Mit der letzten Sitzung der Volkskammer wurden mehr als 10 Prozent der ehemaligen DDR-Nutzungsfläche von einer Handvoll grüner Extremisten aus dem Osten mit Hilfe von Besserwisser-Wessis okkupiert. Diese Maßnahmen behindern hier eine rasche Entwicklung der Infrastruktur und stehen im Widerspruch zum Verkehrsbeschleunigungsgesetz.'“

Der SPHÄRMAN fragt sich, ob Thekla Walkers Biosphärenplaner von Markus Röslers DDR-Abenteuergeschichten so beeindruckt waren, dass sie mit organisiertem Widerstand und dem Auftreten der Allianz für Oberschwaben gar nicht gerechnet haben.

Jedenfalls wurden sie von der Allianz und ihrer Kampagne gegen die Biosphäre kalt erwischt.

[ERKLÄRUNG: Die Allianz für Oberschwaben hieß zunächst etwas umständlich Allianz der Landeigentümer und -Bewirtschafter und ist ein Zusammenschluss von Grundbesitzern und Forstwirten, Holzverarbeitern, Jägern, Landwirten und ihrer Verbände, die sich von den Biosphärenplänen bedroht fühlen. Auch Vertreter der Tourismuswirtschaft und anderer Branchen sind dabei. Es ist kein Geheimnis, dass sich unter den Biosphärenrebellen berühmte Adelsfamilien befinden. Aber auch kleine Waldbesitzer und Mitglieder von Genossenschaften sind in der Allianz vertreten. Längere Zeit traute man dem bunten Haufen kein einheitliches Vorgehen zu, da die Interessenlage innerhalb der Gemeinschaft alles andere als homogen ist. Das änderte sich allerdings schlagartig, als die Allianz erstmals mit einer scharf formulierten Pressemitteilung aufmuckte.]

So schreibt Timo Egger in seinem Abschiedsbrief an Thekla Walker, in dem er das Scheitern der Biosphäre Oberschwaben bedauert und Schuldige nennt: „Projekte dieser Größenordnung werden heute häufig von einzelnen Interessengruppen intensiv begleitet, die mit hohem Einsatz und klaren Botschaften auftreten.“

Mit „Interessengruppen“ ist ganz klar die Allianz für Oberschwaben gemeint.

Zurück in die Jahre 1989-1990. Markus Rösler fragt in seiner Diss nach den Gründen der reibungslosen Landnahme durch den Naturschutz: „Warum war es möglich, in so kurzer Zeit so viel zu erreichen?“

Und er liefert diese Antwort:

„Der Erfolg ist auf ein ganzes Bündel verschiedener Gründe zurückzuführen. Das politische System der DDR beinhaltete Aussperrung der Bevölkerung vom eigenen Territorium in drei Kategorien: Die Grenzfläche zur Bundesrepublik, Truppenübungsplätze und Staatsjagdgebiete. Diese Aussperrung von Menschen begünstigte die Lebensmöglichkeiten zahlreicher Tier- und Pflanzenarten sowie die weitgehend ungestörte Entwicklung zahlreicher Lebensräume ganz erheblich. Die Mehrzahl der Großschutzgebiete der DDR umfasst solche Flächen. Die Voraussetzungen für Nationalparke oder Kulturlandschafts-Großschutzgebiete mit großen Kernzonen waren dank diesem ‚Erbe‘ in einem Ausmaß gegeben wie sie trotz Truppenübungsplätzen in keinem der westlich orientierten europäischen Staaten existierten.“

Ja: Ein wichtiger Aspekt in der Biosphärenplanung Stuttgarts war immer die sogenannte Kernzone, eine Art bemooste Zeitmaschine zurück ins Pleistozän. So heißt das Erdzeitalter, das vor 11.650 Jahren endete, als der moderne Mensch massiv durch die Natur zu latschen begann und seine Spuren hinterließ.

Die Kernzone war Thekla Walkers Achillesferse. Sie steht im krassen Widerspruch zum Mensch-und-Natur-Mantra der Biosphärenwerber, denn der Homo sapiens hat dort nichts verloren. So will es das UNESCO-Regelwerk.

Der Mensch als Störfaktor. Besser kann man das heimliche Leitmotiv des irren Biosphärenprojekts nicht auf den Punkt bringen. 

Ironischerweise ist die Biosphäre Oberschwaben ausgerechnet daran gescheitert, dass wegen des SPHÄXIT wichtiger Kommunen nicht genug Kernzonenfläche zusammenkam, von wo man die Menschen aussperren kann. Zu viele Gemeinderäte waren dagegen.

Doofes Volk. Doofe Demokratie.

In einem letzten Verzweiflungsakt regte Ravensburgs biosphärenverliebter CDU-Landrat Harald Sievers an, auf das UNESCO-Siegel für die Biosphäre zu verzichten, um das strenge Regelwerk zu umgehen. Das kommentierte Rösler auf Instagram entsetzt: „Da scheint es gravierende Informationsmängel zu geben.“

Als Stuttgart dann seinen DDR-Moment erlebte, wollte man noch schnell die Gemeinderäte ausschalten und durch Bürgerräte ersetzen. Doch es war zu spät.

Kurz vor dem endgültigen Biosphären-Aus verrutscht Markus Rösler die bürgerliche Maske und er tönt in astreiner Klassenkampf-Rhetorik: „Die lokalen Gremien stehen unter massivem, teils schon fast feudal-mittelalterlich zu nennenden Druck insbesondere aus dem Kreis der Großprivatwaldbesitzer und auch vieler konventioneller Landwirte.“

Das hätte es in der guten alten DDR nicht gegeben!

Zu Markus Röslers Dissertation und dem lesenswerten DDR-Kapitel ab Seite 275 geht’s → hier.

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